DOMRADIO.DE: Die Caritas hat die Wohnungsnot zu ihrem Jahresthema gemacht. Ist es mit der "Wohnraumoffensive" jetzt bald vorbei mit der Wohnungsnot in Deutschland?
Prälat Dr. Peter Neher (Präsident des Deutschen Caritasverbandes): So ganz schnell wird das nicht gehen, denn Wohnraum zu schaffen ist etwas für einen langen Atem. Aber es braucht wichtige Weichenstellungen, und die scheinen mir jetzt doch getroffen zu sein – mit dem Dreiklang von Wohnraumoffensive, dem Schutz vor unrechtmäßigen Mieterhöhungen und dem Baukindergeld. Und vor allem, weil es Haushalte betreffen soll im unteren und mittleren Einkommensbereich.
DOMRADIO.DE: Schauen wir mal auf einzelne Maßnahmen: Für den sozialen Wohnungsbau sind zwei Milliarden Euro eingeplant. Experten sagen aber, es fehlt eine Million bezahlbare Wohnungen Deutschland – das ist dann schon wieder gar nicht so viel, oder?
Neher: Na ja, es fehlen etwa 120.000 Sozialwohnungen. Das ist, so glaube ich, die zunächst mal wichtigere Summe. Die zwei Milliarden für den Wohnungsbau reichen natürlich nicht aus, aber ich denke, es ist eine große Summe, die jetzt auch den Ländern zugutekommen soll. Wichtig ist allerdings dabei, dass die das Geld dann auch ungeschmälert an die Kommunen weitergeben. Und es dort zweckgebunden verwendet wird. Dann ist da noch das Baukindergeld, das auch so gestaltet sein sollte, dass auch junge Familien Wohneigentum erwerben können.
DOMRADIO.DE: Die Mietpreisbremse der letzten GroKo hatte nicht den gewünschten Effekt. Gleichzeitig wird Wohnraum immer teurer, weil Spekulanten und Immobilienfirmen die Preise anheizen. Müsste sich nicht grundsätzlich etwas auf dem deutschen Immobilienmarkt ändern?
Neher: Zum einen ist es sicherlich richtig, was Sie sagen. Aber ich glaube, durch diese neue Initiative ist es doch sehr konkret, dass "missbräuchliche Modernisierung" künftig den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit erfüllt. Wir begrüßen auch die geplante Absenkung der Modernisierungsumlage von elf auf acht Prozent. Von daher sind es ganz konkrete Maßnahmen. Aber ich möchte noch eines hinzufügen: Es ist nicht nur eine Aufgabe der Politik. Ich glaube, auch jeder einzelne Bürger, jede einzelne Bürgerin, muss sich an der eigenen Nase fassen, ob er nicht dann, wenn eigennützige Interessen betroffen sind, tatsächlich auch oft Wohnungsbau verhindert. Das ist auch ein gesamtgesellschaftliches Thema.
DOMRADIO.DE: Was müsste denn Ihrer Meinung nach als erstes geändert werden, um den Wohnungsmarkt zu entlasten?
Neher: Ich finde es jetzt wichtig, dass die eingeleiteten Maßnahmen möglichst schnell umgesetzt werden. Da wird es schon ganz praktische Grenzen geben. Wir tun uns ja jetzt schon schwer, 300.000 Wohnungen im Jahr überhaupt zu bauen. Das von Union und SPD neu gesteckte Ziel entspräche sogar 375.000 Wohnungen. Und die Zahl der fehlenden Wohnungen in den Ballungsräumen in den vergangenen Jahren steigt ja auch ständig. Von daher gibt es einen dringenden Nachholbedarf. Es hilft jetzt keine übereilte Hektik, sondern die eingeleiteten Maßnahmen müssen umgesetzt werden. Das ist oft schwierig genug. Sie brauchen Bauland. Sie müssen die Baugebiete ausweisen. Auch da hat Deutschland durchaus in den einzelnen Ländern noch den Bedarf, manches von bürokratischen Hürden abzubauen, damit man dann auch schneller tatsächlich in den Wohnungsbau kommt.
Das Interview führte Heike Sicconi.