Das Schubladendenken müsse aufhören, sagte Sarah Stroumsa am Dienstag in Tübingen vor der Verleihung des mit 50.000 Euro dotierten Dr.-Leopold-Lucas-Preises der Evangelisch-theologischen Fakultät der Universität an das Ehepaar. Nach Überzeugung der Religionsphilosophin wird der gegenseitige Einfluss der Religionen unterschätzt.
Wer in der gleichen Kultur mit derselben Sprache lebe, gleiche sich an. So bezeichneten Christen in arabischen Kulturen Gott als "Allah". Juden hätten in muslimischen Gesellschaften begonnen, beim Besuch der Synagoge die Schuhe auszuziehen - wie es Tradition in der Moschee sei.
Gemeinsame akademische Bildung
Für ein besseres gegenseitiges Verständnis der Religionen brauche es gemeinsame akademische Bildung sowie Geduld, sagte Sarah Stroumsa. Sie beobachte, dass sich extreme Politiker häufig gegen die Freiheit der Universitäten wendeten. Deshalb sei es "absurd", dass israelische Universitäten von anderen Ländern wegen der Politik des Landes boykottiert würden - obwohl gerade diese Universitäten die Freiheit des Denkens und Redens ermöglichten.
Ihr Ehemann Guy Stroumsa vertrat die Ansicht, dass Bildung zu mehr Respekt führe. Er bedauere, dass vergleichende Religionsstudien bislang nur ein Schattendasein in der akademischen Welt führten. Auch Religion selbst ist seiner Ansicht nach nur schwach erforscht. "Wir wissen zu wenig darüber", sagte Stroumsa.
Auszeichnung für Forschungsarbeit
Das Forscherpaar erhielt die Tübinger Auszeichnung für Arbeiten zur gegenseitigen Beeinflussung von Judentum, Christentum und Islam. Guy Stroumsa, Jahrgang 1948, hatte an der Hebräischen Universität Jerusalem von 1991 bis 2009 die Martin-Buber-Professur für Vergleichende Religionswissenschaften inne, von 2009 bis 2013 lehrte er an der Universität Oxford.
Seine Ehefrau Sarah Stroumsa, geboren 1950, hat seit 2003 die Alice-and-Jack-Ormut-Professur für Arabische Studien an der Hebräischen Universität Jerusalem inne und war von 2008 bis 2012 als erste Frau Rektorin dieser Universität.