Konflikt zwischen Israel und dem Iran spitzt sich zu

"Der Konflikt rückt näher"

Zum ersten Mal hat der Iran nach Militärangaben israelische Ziele auf den Golanhöhen angegriffen. Israels Luftwaffe schlägt hart zurück. Einen Tag nach dem US-Ausstieg aus dem Atomabkommen. Ein Interview mit Dr. Gregor Buss von der Hebräischen Universität Jerusalem.

Gefährliche Eskalation zwischen Iran und Israel schürt Kriegsangst / © Jinipix/XinHua (dpa)
Gefährliche Eskalation zwischen Iran und Israel schürt Kriegsangst / © Jinipix/XinHua ( dpa )

DOMRADIO.DE: Wie geht es Ihnen selbst, wenn Sie von dem Angriff auf die Golanhöhen und dem sich zuspitzenden Konflikt zwischen Israel und dem Iran hören?

Dr. Gregor Buss (Hebräische Universität Jerusalem): Es ist sehr beunruhigend. Ich war selbst noch vor zehn Tagen dort. Es ist ganz harmlos dort, ich wollte wandern gehen und habe dort zwei Tage im Zelt übernachtet und habe das von nahem miterleben müssen, was sich da zusammenbraut.

DOMRADIO.DE:  Was genau haben Sie dort erlebt?

Buss: Tagsüber war es sehr ruhig. Es ist eine sehr schöne Landschaft. Der Golan ist sehr attraktiv zum Wandern. Nachts waren dann Geräusche zu hören, schwere Bomeneinschläge, die ich erst gar nicht als Bomben eingeordnet habe, sondern es war ein Gewitter, so meine Vermutung. Aber das war in solch einer Regelmäßigkeit, dass mir dann irgendwann klar wurde, dass das kein Gewitter ist, sondern Bomben, die vielleicht 30 bis 40 Kilometer entfernt von mir fallen.

DOMRADIO.DE: Ist es dann nicht viel zu gefährlich dort wandern zu gehen?

Buss: Insgesamt ist es dieses Paradox in diesem Land zu leben. Man hat im Alltag ein unglaubliches Gefühl von Ruhe und Sicherheit. Gleichzeitig ist der Konflikt so nah, genau die Situation, die ich vor kurzem erlebt habe. So bin ich auch ganz ruhig dort wandern gegangen und es war nicht gefährlich. Auch heute ist es auf dem Golan immer noch nicht gefährlich. Die Schulen laufen, die Kindergärten bleiben weiter geöffnet. Aber der Konflikt rückt näher.

DOMRADIO.DE:  Die USA spielen eine besondere Rolle. Mit dem Iran ist die Zusammenarbeit jetzt aufgekündigt und auf der anderen Seite soll ja am Montag die US-Botschaft in Jerusalem eröffnet werden. Welche Rolle spielt das für den Konflikt, dass sich die USA da ganz klar auf eine Seite schlagen?

Buss: Das ist natürlich wie Öl ins Feuer gießen. Das ist eine sehr, sehr schwierige Situation, dass die USA so eindeutig Partei ergriffen hat. Mit dieser Botschaftsverlegung ist allen klar geworden, die USA steht auf der Seite Israels und ist kein verlässlicher Verhandlungspartner mehr für beide Parteien, also Palästinenser und Israelis. Es ist ja bekannt, dass Trump und Netanjahu eine Freundschaft pflegen – seit Jahren und Jahrzehnten. Insofern ist das ein sehr gefährliches Gemisch, das sich da zusammenbraut.

DOMRADIO.DE:  Netanjahu hat ausdrücklich begrüßt, dass US-Präsident Trump das Atomabkommen mit dem Iran aufgekündigt hat. Gibt es noch andere Stimmen im Land?

Buss: Wenn ich mich zum Beispiel in meinem Kollegenkreis an der Universität umhöre, dann wird das sehr skeptisch gesehen. Das betrifft beide Entscheidungen, sowohl die Botschaftsverlegung als auch das Zurückziehen aus dem Iran-Abkommen, weil eben befürchtet wird, dass wir, was wir jetzt erleben, es zu einer Eskalation kommt. Es gibt natürlich weite Teile in der Bevölkerung, die das kritisch sehen und für Frieden plädieren. Also, es ist sehr gespalten. Man kann das nicht über einen Kamm scheren.

DOMRADIO.DE: Wie denkt man in Israel, dass Deutschland an dem Iran-Abkommen festhält?

Buss: Es ist sehr wichtig, dass die europäischen Staaten, England, Frankreich, Deutschland, an dem Abkommen festhalten. Auch der Iran übrigens hält ja an dem Abkommen fest. Das muss man auch immer noch betonen, so dass das Abkommen noch nicht tot ist. Das ist sehr wichtig. Die Frage ist, was ist der bessere Plan B? Und da glaube ich, dass die Europäer besser daran tun, dass sie an diesem Abkommen erst einmal festhalten.

 


Quelle:
DR