DOMRADIO.DE: Kritiker sagen, Sie geben mit der Veranstaltung der AfD und ihren Positionen eine Bühne. Weshalb hat die AfD Platz auf dem Katholikentag?
Dr. Thomas Arnold (Theologe, Moderator der Veranstaltung): Schauen Sie, ich komme aus Sachsen. Da haben 27 Prozent der Menschen bei der Bundestagswahl diese Partei gewählt. Ich möchte nicht mit dem Satz kommen: "Wir müssen die Sorgen der Menschen ernst nehmen". Aber ich finde schon, wenn 27 Prozent – sei es aus Protest, oder weil sie die Position wirklich ernst nehmen – solch eine Partei wählen, dann müssen wir uns mit dem, was sie vertritt, auseinandersetzen. Es bleibt ein Dilemma. Wenn ich jemanden auf ein Podium einlade und die Positionen dieser Partei zur Diskussion stelle, dann gebe ich natürlich diesem Menschen, der diese Position vertritt, ein Podium. Aber ich hoffe, ich vertraue darauf, dass an diesem Tag andere Positionen ebenso auf dem Podium erscheinen und Menschen dann diskutieren, abwägen und vielleicht auch noch mal die Augen öffnen: Sind das meine Positionen, die ich bei der nächsten Wahl mit dem Kreuz goutiere?
DOMRADIO.DE: Überlegen Sie aktiv gegenzuargumentieren, wenn Kritik kommt?
Arnold: Ich bin Moderator, ich bin nicht neutral. Ich habe dafür zu sorgen, dass da, wo das Podium eventuell ermüdend ist, Schärfe reingebracht ist und dass da, wo es scharf ist, auch noch mal ein Konsens gesucht wird. Das ist meine Aufgabe als Moderator. Ich habe eine Position als Christ, werde mich an der Stelle aber zurücknehmen und versuchen, dass alle Positionen gleichwertig zur Geltung kommen.
DOMRADIO.DE: Der BDKJ sagt vereinfacht: Der Katholikentag ist ein Glaubensfest und keine Talkshow, solch ein Fest vertritt Werte, und deshalb haben Rechtspopulisten dort nichts zu suchen. Was entgegnen Sie dem?
Arnold: Natürlich ist der Katholikentag ein Glaubensfest. Aber wenn Sie in die lange Geschichte und die lange Tradition des Katholikentags schauen, dann werden Sie sehen, dass der Katholikentag immer auch politisch war, weil das Christentum politisch ist. Und von daher bin ich fest überzeugt, dass auf den Katholikentag Themen gehören, die aus dem Glauben motiviert sind, aber die natürlich die Frage stellen: Wie bringen wir uns ein in die Gesellschaft?
Ich denke, diese Fragen zu Religion und Gesellschaft und Religion und Staat sind ja enorm virulent und nicht mehr selbstverständlich wie vielleicht vor 20, 30 Jahren noch. Wir müssen uns ganz neu fragen: Wie können wir Religion als Menschen, als Katholiken, in unsere Gesellschaft einbringen, – unter ganz anderen Vorzeichen einer stärker säkularisierten, eine stärker multireligiösen Gesellschaft? Das gilt es zu diskutieren und am Ende müssen wir uns auch fragen, in welche Gesetze das gegossen wird und welche praktischen Konsequenzen das hat – dafür finde ich das ein gutes Podium.
DOMRADIO.DE: Heute wird es eine Demonstration gegen. Die Veranstalter sagen, dass die AfD sich als Mäyrter sieht, wenn sie nicht eingeladen wäre – aber sie sehe sich auch unabhängig davon als Mäyrter. Das heißt: Man könnte sich theoretisch auch gar nicht damit befassen, weil sich die Situation nicht ändert. Was sagen Sie dazu?
Arnold: Ach, mit dem Mäyrter-Argument. Dazu muss ich vor allem sagen, dass ich es legitim finde, dass wir Meinungsfreiheit auch schätzen und dass Gegenpositionen auch laut gesagt werden dürfen. Es ist ein Platz vor der Halle angedacht, wo die Demonstration stattfinden darf. Es wird sicher auch in den Medien und bei den Katholikentagsteilnehmern Meinungen dazu geben. Mir ist wichtig, dass während der Veranstaltung, auf dem Podium und im Publikum, eine Kultur des Zuhörens herrscht. Wir können nicht ständig vom Dialog in der Kirche reden, aber dann nicht mal diese Grundbedingungen des Zuhörens und des Aufeinander-Hörens, des Hinterfragens, Verstehens nicht verinnerlicht haben. Das finde ich ganz enorm wichtig: Erst einmal zuhören, nachdenken und dann dagegen argumentieren.
DOMRADIO.DE: Steckt da vielleicht auch eine Chance drin?
Arnold: Ich glaube, es wir nochmal die Dynamik verändern. Ich hoffe, dass die Chance besteht, dass auch wir als Christen eine Kultur des Miteinanders zu lernen; dass wir nicht jede Position gutheißen, aber dass wir trotzdem mit den Menschen, die sie vertreten, umgehen. Nur weil manche Menschen eventuell schlechte Positionen vertreten, müssen wir sie nicht an sich als Menschen verurteilen. Wenn wir diese Kultur lernen, dass wir Menschen als Menschen annehmen, nicht den Sünder verurteilen, aber das, was falsch ist, die Sünde benennen und verurteilen, dann bin ich froh. Ich glaube, das ist die Chance, die uns der Katholikentag gibt und wo wir noch besser werden können als Christen - im Diskurs, in der Gesellschaft.
Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.