DOMRADIO.DE: Alice Weidel hat mit einer provokanten Kritik an der Flüchtlingspolitik von Kanzlerin Angela Merkel im Bundestag für Empörung gesorgt. Wörtlich hat sie gesagt: "Burkas, Kopftuchmädchen und alimentierte Messermänner und sonstige Taugenichtse werden unseren Wohlstand, das Wirtschaftswachstum und vor allem den Sozialstaat nicht sichern." Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble hat sie dafür getadelt. Und Sie, Herr Kauder, hat die Äußerung auch aufgebracht.
Volker Kauder (Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion): Es hat mich schon aufgebracht, dass in dieser Art und Weise pauschal von "Tunichtguten" und "Taugenichtsen" gesprochen wurde. Frau Weidel wurde von Bundestagspräsident Schäuble auch gerügt und ich habe dann in meiner Rede darauf hingewiesen – weil die AfD ja immer erklärt, sie wolle das christliche Abendland retten: Wer vorgibt, das christliche Abendland retten zu wollen, sich aber nicht an die Werte des Christentums hält, der macht den Menschen etwas vor. Das christliche Menschenbild sagt: Jeder Mensch ist Ebenbild Gottes und hat eine unverwechselbare Würde – das habe ich Frau Weidel auch entgegengehalten. Deswegen verbietet es sich, dass wir unter dem Namen des "C" so über Menschen reden, wie es Frau Weidel getan hat.
Als Frau Weidel sich lautstark dazwischenrufend gemeldet hat, habe ich gesagt, dass sie im Austeilen großmäulig sind bei der AfD – und im Einstecken tun sie sich sehr schwer.
DOMRADIO.DE: Sehen Sie das als grundsätzliches Problem für die Debattenkultur im Bundestag?
Kauder: Die Debattenkultur leidet nicht darunter. Die anderen Fraktionen debattieren wie immer. Es ist aber bemerkenswert, dass eine Fraktion – nämlich die AfD – in einer Weise spricht und Vokabular verwendet, wie es bisher im Deutschen Bundestag nicht üblich war. Da kann man sagen: "Das ist in Ordnung. Ein Teil der Bevölkerung will ja auch entsprechend repräsentiert werden." Aber eines werde ich nicht zulassen: Dass mit Positionen gearbeitet wird und die konkreten Aussagen nicht dazu passen. Das ist heuchlerisch. Man kann nicht den Leuten vorgeben: "Wir sind für das Christentum." Und dann redet man so wie kein Christ es akzeptieren kann. Darauf habe ich heute mal hingewiesen.
Im Übrigen: Frau Weidel war die erste Rednerin heute im Deutschen Bundestag. Dann gehört es sich, dass man die anderen Reden anhört. Aber sie hat gesprochen und ist gegangen. Deshalb habe ich veranlasst, dass sie wieder zurückkommt. Dieses Verhalten zeigt auch, wie die AfD sich verhält. Es ist eine Frage des Anstands, wenn man im Plenum andere attackiert, abzuwarten bis die Antwort kommt. Das habe ich heute deutlich gemacht: Der AfD fehlt es an Anstand und an christlicher Herzensbildung.
Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.