DOMRADIO.DE: Anwohner des Brüsseler Platzes kritisieren seit Jahren, sie könnten wegen des Lärmpegels nicht schlafen. Jetzt haben sie Recht bekommen. Was sagen Sie zu dem Urteil?
Monsignore Robert Kleine (Stadtdechant von Köln): Sicherlich werden in dem Urteil die Belange der Anwohner wahrgenommen und auch ernst genommen. Allerdings ist natürlich der Schwarze Peter jetzt wieder bei der Stadt.
Das heißt: Welche Maßnahmen gibt es, um dafür zu sorgen, dass dort eine gewisse Nachtruhe herrscht? Da bin ich auch etwas ratlos. Man kann ja nicht den ganzen Platz räumen lassen.
Ich hatte gehofft, dass es durch die Mediation dazu kommt, dass man sagt – wie auch Jesus schon als goldene Regel sagte: "Was ihr von anderen erwartet, das tut auch Ihnen".
Ich glaube, alle, die da abends miteinander erzählen oder ein Bier trinken, möchten irgendwann auch ihre Ruhe haben.
DOMRADIO.DE: Es ist ja anscheinend ein unlösbares Problem, denn selbst wenn sich 500 bis 1000 Leute nur ganz leise unterhielten, wäre es ein hoher Lärmpegel, weil es einfach so viele sind.
Kleine: Es gibt natürlich andere Plätze in unserer Stadt, wo nicht so viele Leute drumherum wohnen. Die sind aber vielleicht nicht so attraktiv, weil es da zum Beispiel nicht direkt in der Nähe Kioske gibt.
Am Brüsseler Platz ist natürlich vieles attraktiv – die Ringe, der Platz, die Möglichkeit zu sitzen. Der Platz hat ein so mediterranes Ambiente. Aber das muss sicherlich auch eine Grenze haben. Jedes normale Lokal muss zu einer bestimmten Uhrzeit die Außengastronomie einstellen, kann dann auch nichts mehr verdienen.
Während die Kioske natürlich die ganze Nacht durch verkaufen. Es ist die Frage, wie eine Lösung aussehen kann. Ein Werben, vielleicht an andere ruhigere Orte zu gehen, wird sicher auch ungehört verhallen. Ich glaube, es geht weiter darum, in einem guten Miteinander zu reden.
Die Situation hat sich so entwickelt, dass man eigentlich nur appellieren kann: "Guckt doch mal auf beide Seiten." Vielleicht lässt sich so die Zahl ein wenig reduzieren. Es nützt nichts, für oder gegen die eine Seite zu predigen. Die Menschen haben natürlich die freie Wahl, sich irgendwo aufzuhalten.
Aber vielleicht lässt sich das doch ein wenig in ruhigere Gebiete – in Grünflächen oder an den Rhein – verlagern. Das ist meine große Hoffnung. Auch, wenn es da nicht so schön und heimelig ist.
DOMRADIO.DE: Aber jetzt läuft es doch wirklich auf eine radikale Lösung hinaus: Der Platz müsste nachts gesperrt werden.
Kleine: Man muss sich noch mal vor Augen halten, was es bedeutet, wenn ich einen städtischen Platz sperren muss. Und im wahrsten Sinne des Wortes verdrängt es ja das Problem. Die, die bisher draußen unterwegs sind, werden ja einen anderen Ort suchen. Die Frage ist: Gibt es im Miteinander nicht Möglichkeiten, sich diesen anderen Ort gemeinsam zu suchen.
Ich will es jetzt nicht eins zu eins übersetzen, aber es gab lange Zeit das Skater-Problem auf dem Roncalliplatz, wo die Touristen oder die Fußgänger belästigt wurden. Auch da hat man gesagt: Wir finden einen anderen Ort, wo die Skater Beheimatung haben. Das kann ich nicht eins zu eins übesetzen, aber eine ähnliche Möglichkeit gibt es vielleicht auch hier.
Natürlich sagen einige: "Ich treffe mich mit drei Leuten und trinke eine Flasche Bier. Ich sorge ja nicht für die Lautstärke." Aber man muss doch einmal an den Verstand appellieren: Eine solche Lautstärke ist unerträglich. Stellt euch mal vor, bei euch zu Hause würde das stattfinden. Oder ihr wohnt seit 20 Jahren hier in der Wohnung am Brüsseler Platz und plötzlich entwickelt sich da etwas, womit ihr nie gerechnet habt.
Ich bin ein wenig zuversichtlich, dass es vielleicht doch noch Menschen mit Einsicht gibt, die sagen: "Okay, der Ort wird nicht ganz gesperrt. Wir können hierbleiben, aber wir finden irgendwo ein Maß, das für alle erträglich ist."
Ähnlich ist es ja auch mit der Straßenmusik. Wenn ich irgendwo in Köln Straßenmusik höre, finde ich das in der halben Stunde, in der ich es höre, wunderbar. So ist das vielleicht auch auf dem Brüsseler Platz, wenn ich dort mein Bier trinke. Wenn ich irgendwo wohne und höre das den ganzen Tag, ist es irgendwann nervig. Genauso geht es den Anwohnern.
Das Interview führte Andreas Lange.