Alle elf Minuten verliebt sich ein Single... das Versprechen eines Verkupplungs-Portals scheint auch im kirchlichen Kontext Anziehungskraft zu entfalten. Beim Speed-Dating der Katholischen Studierenden- und Hochschulgemeinde (KSHG) Münster im Rahmen des Katholikentags ist die Zeitspanne noch kürzer: Auf der Suche nach der großen Liebe wechseln die zusammengewürfelten Pärchen alle fünf Minuten den Partner. Wer und ob sich wirklich jemand verliebt? Fraglich.
30 Männer und 30 Frauen sitzen in Zweiergruppen zusammen. Manche spielen nervös mit ihrer Kleidung, andere geben sich locker. Die Atmosphäre ist entspannt, es wird viel gelacht. Der Countdown läuft. Nach fünf Minuten heißt es drei, zwei, eins, null: Die Gesprächszeit ist abgelaufen, die Frauen wechseln zum nächsten Tisch. Zwölf Runden werden so gedreht. Finden sich beide Gesprächspartner interessant, tauschen sie ihre Kontaktdaten aus.
Wer kommt so zu einem Speed-Dating der katholischen Kirche? In Münster sitzen sich vor allem junge Menschen Mitte-Ende 20 gegenüber. Die meisten haben gerade angefangen zu arbeiten, sind dafür in eine andere Stadt gezogen, müssen sich ein neues Umfeld aufbauen - und wünschen sich einen Partner an ihrer Seite.
Denn: Katholisch oder nicht katholisch - tendenziell steigt die Zahl der Single-Haushalte in Deutschland. 2016 lebte in 41 Prozent der Haushalte nur eine Person. In der Kirche sehen Alleinlebende sich oft nicht vertreten, Seelsorgeangebote für diese Zielgruppe fehlen. Das Erzbistum Köln reagiert auf die Nachfrage und hat 2016 eine Stelle für Singlepastoral geschaffen. Referentin Hedwig Lamberty erklärt: "Im Zentrum der kirchlichen Aufmerksamkeit steht die Paarbeziehung und die Familie." Alleinlebende fühlten sich oft ausgeschlossen.
Wertschätzung der Lebensform
Lamberty geht es um Wertschätzung der Lebensform und darum, Alleinlebenden einen Raum in der Kirche zu geben. Viele Singles hätten Freiräume und Stärken, die viel stärker für das Gemeindeleben genutzt werden könnten, gibt sie zu bedenken. Sie bietet etwa Wanderfreizeiten an, Gottesdienste oder Wochenendseminare, bei denen Singles ihre Lebenssituation reflektieren. Zudem macht Lamberty viel politische Arbeit, will für das Thema sensibilisieren.
Beim Katholikentag wird das Kölner Angebot gut angenommen, etwa die Veranstaltung "Single, aber nicht ohne...!" Alleinstehende aller Altersgruppen tauschen sich über ihre Erlebnisse aus. Es ist eine heterogene Gruppe: Junge und alte Menschen, Geschiedene, Alleinerziehende, Verwitwete, solche die noch nie einen Partner hatten und andere, die sich nach einer langen Beziehung getrennt haben.
Sie sprechen über die täglichen Probleme des Alleinlebens: Wohnsituation, Versorgung im Krankheitsfall, Lebenshaltungskosten und Urlaubsplanung. Aber auch die Wahrnehmung von Singles in der Kirche ist Thema: "Es gibt für uns nicht einmal eine Fürbitte", heißt es etwa. In der Kirche werde das Single-Dasein als Makel dargestellt, kritisiert eine Teilnehmerin. Ihr Ziel: Das Gefühl zu haben, auch als Single Teil der Gemeinde zu sein.
Ungewollter Zustand
"Viele Menschen sind ungewollt alleine", weiß Lamberty. Die Suche nach einer Partnerschaft sei vielen ein großes Bedürfnis. Für manche spielten Glaube und Religion dabei eine Rolle, müssen aber nicht zur Sprache kommen.
Wer zu einem Speed-Dating der Kirche gehe, habe eventuell ernsthaftere Absichten als jemand, der sich bei einer Dating-App anmelde - so die Hoffnung einiger Teilnehmer. "Eine Dating-App würde ich mir auf keinen Fall herunterladen", sagt Teilnehmerin Sarah. Zu oberflächlich sei die Art und Weise, sich einer anderen Person allein aufgrund eines Bildes zu nähern. Im persönlichen Gespräch zeige sich dagegen schnell, wie jemand ticke.
Im Hinblick auf Singlepastoral nimmt das Erzbistum Köln eine Vorreiterrolle ein. Eine ähnliche Stelle wie ihre ist Referentin Lamberty nicht bekannt. Die wenigsten Bistümer bieten überhaupt Veranstaltungen für Singles an. In Magdeburg oder Speyer etwa gibt es zumindest vereinzelt Angebote wie Wanderungen oder einen Gesprächsnachmittag. Lambertys Rat: Alleinlebende sollten selbst aktiv werden und von der Gemeinde und dem Bistum spezifische Angebote einfordern.