Zu Besuch bei Seminaristen der traditionalistischen Piusbrüder

Wenn sich junge Männer nach früher sehnen

Streng getaktet und traditionell geht es in den Priesterseminaren der Piusbruderschaft zu. Ein Besuch im bayerischen Zaitzkofen, wo die Piusbrüder für den deutschsprachigen Raum und für Nordeuropa ausgebildet werden.

Autor/in:
Severina Bartonitschek
Piusbrüder / © Paul Haring (KNA)
Piusbrüder / © Paul Haring ( KNA )

Nebel umwabert an diesem Morgen das 200-Seelen-Dorf Zaitzkofen. Drei Schulkinder warten an der überdachten Bushaltestelle, die die Sternsinger mit ihrem Segen 20*C+M+B*18 bedacht haben. Der Schulbus fährt um 6.39 Uhr - sonst gibt es nicht viele Möglichkeiten, ohne eigenes Auto das bei Regensburg gelegene Nest zu verlassen. Der feine Nebel zieht seine Schwaden auch um das gelbe Schloss hinter dem schmiedeeisernen Zaun auf der anderen Straßenseite. Es ist still hier, sehr still.

Doch hinter dem schwarzen Zaun, in der gelben Schlosskapelle, herrscht geschäftiges Treiben. Knapp 50 Männer strömen nach der Morgenmesse in die Sakristei. Alle tragen eine lange, schwarze Soutane, die am Hals ein weißer Priesterkragen schließt. Sie alle sind Seminaristen, Brüder oder Priester der Priesterbruderschaft Pius X. In dem Schloss des kleinen Dorfes befindet sich das internationale Priesterseminar der traditionalistischen Piusbrüder.

Piusbrüder lehnen viele Reformen des Zweiten Vatikanums ab

Die Bruderschaft lehnt viele Reformen des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) ab. 1975 hatte Rom der Gemeinschaft die kirchenrechtliche Zulassung entzogen. Nachdem deren Gründer Marcel Lefebvre 1988 ohne päpstliche Zustimmung vier Priester seiner Bruderschaft zu Bischöfen weihte, zogen sich alle fünf die Exkommunikation zu. Obwohl diese mittlerweile aufgehoben wurde, ist der Status der Piusbrüder nach wie vor ungeklärt. In den vergangenen Jahren sind die Piusbrüder immer wieder wegen unerlaubter Priesterweihen in die Schlagzeilen geraten.

Der Tag der Seminaristen ist streng durchgetaktet, freie Zeit ist deutlich knapper als in einem regulären Priesterseminar. Nach dem Morgengebet um 6.30 Uhr folgt die Messe, immer nach altem Ritus. Die Piusbrüder tragen nun ein weißes Rochette über der Soutane. Die Messe gleicht einer perfekt einstudierten Choreographie. Jede Kopfbewegung, jeder Schritt ist synchron. Der Priester steht mit dem Rücken zum Kirchenraum am Altar, er spricht ausschließlich Latein, meist leise.

Es gibt keine Predigt, aber Weihrauch. Einzig der Blasebalg der Orgel unterbricht, immer wieder nach Luft schnappend, die andächtige Atmosphäre.

Eine Handvoll Gottesdienstbesucher aus dem Dorf verschwindet nach der Messe im Nebel. Die Piusbrüder eilen über den Hof zum Seminargebäude, dann die ausgetretenen, knarzenden Treppen hoch zum Frühstück. Punkt 8.05 Uhr beginnt es - nicht früher, nicht später. Das erste Mahl des Tages wird schweigend eingenommen. Gründer Lefebvre wacht lächelnd von einem Gemälde an der Wand des Speisesaals über die Marmeladenbrot essenden Männer.

Michal Frej sitzt mit dem Rücken zu dem Porträt. Er sieht ein bisschen müde aus, lange ist er noch nicht in Zaitzkofen. Zufällig sei der 26-jährige aus einer polnischen Kleinstadt auf die alte Messe gestoßen, dann auf die Piusbruderschaft. Und schließlich habe er beschlossen, selbst dort Priester zu werden.

Es habe ihn sehr bewegt, wie die Geistlichen der Bruderschaft über den Glauben gesprochen haben und darüber, dass es nur eine wahre Religion, nur einen wahren Weg für die Menschen gebe, nur eine Kirche, die von Gott gegründet wurde. Das habe er früher nicht verstanden.

"Es gibt nur eine Wahrheit"

Früher, da hat er Mathematik studiert, war dabei zu promovieren. Dann kamen die Piusbrüder. Ein Widerspruch seien Naturwissenschaft und Priestertum in seiner Biographie aber nicht: "In der Mathematik ist alles sehr logisch, klar und einfach. Es gibt nur eine Wahrheit. So denke ich auch. Es gibt eine Realität, eine Welt, ein Leben für mich, und das möchte ich gut leben. Ich möchte die Wahrheit kennen."

Die heutige Welt sei krank, die Menschen lebten nicht moralisch, findet Frej. Sie bräuchten den Glauben, um gerettet zu werden, um in den Himmel zu kommen. Dabei möchte er den Menschen helfen. Weil er ein gutes traditionelles Seminar besuche, könnten er und seine Mitseminaristen den Glauben besser erfassen, besser arbeiten - und so den Menschen besser helfen als so manch anderer Priester.

30 Seminaristen leben und lernen derzeit in dem Priesterseminar in Zaitzkofen. Die meisten der Männer sind in ihren Zwanzigern. Sie kommen aus neun verschiedenen Nationen, gesprochen und gelernt wird aber ausschließlich auf Deutsch. Unterricht ist am Vor- und Nachmittag, dazwischen immer wieder Gebete, eine Messe am Morgen und am Abend. Außerdem Vorträge, mehrfach in der Woche, um 20.15 Uhr zur besten Sendezeit. Aber Fernseher gibt es im Seminar ohnehin nicht, Internet nur begrenzt, und Musik kommt allenfalls aus der einzigen Stereoanlage, umrahmt von einer Schrankwand in Eiche rustikal.

Überhaupt ist Freizeit rar. Und wenn, dann soll auch die gemeinsam verbracht werden: mit Sport, Spaziergängen oder einem Ausflug in den nächsten Ort.

50 Prozent Abbrecher

Sechs Jahre dauert die Priesterausbildung. Die Abbruchquote liegt bei circa 50 Prozent, manche gehen schon im ersten Jahr. Markus Krautschneider ging nicht. Der 22-Jährige aus dem Odenwald mit den kurzen blonden Haaren und der randlosen Brille kommt gerade vom Fußballspielen auf der großen Wiese hinter dem Seminar, auf der einmal im Jahr die Priesterweihen stattfinden. Genau eine Stunde Zeit hat er dafür nach dem Mittagessen, wenn er nicht spülen muss.

Krautschneider lebt nun im dritten Jahr in Zaitzkofen. Ein Leben bei den Piusbrüdern ist für ihn aber auch keine neue Erfahrung. Von klein auf hat er das, was viele in der eigenen Pfarrei erleben, in einem Priorat der Piusbrüder kennengelernt: Taufe, Kommunion, Firmung, den sonntäglichen Gottesdienst.

In einer Pfarrei der "Amtskirche" habe er nicht praktiziert: "Ich glaube nicht, dass das ein großer Mangel ist", sagt er. Ihm habe gereicht, was er darüber von Mitschülern und Religionslehrern an seiner öffentlichen Schule erfahren habe. Außerdem habe er sich intellektuell, hauptsächlich durch das Lesen von Büchern, damit auseinandergesetzt. 

Inzwischen ist Nachmittag: wieder Zeit zu lernen. An vier Tagen in der Woche pauken die Seminaristen Fremdsprachen. Nicht Englisch, Französisch oder Italienisch, sondern Latein, Griechisch und Hebräisch. In Räumen mit mannsgroßen Kruzifixen an der Wand und bunten Textmarkern auf dem Tisch. Diejenigen, die keinen Sprachunterricht haben, ziehen sich zurück und lernen allein, bis um 18.30 Uhr das Rosenkranzgebet ruft.

Während die meisten anderen Seminaristen noch büffeln, ist Johannes Regele auf der Zielgeraden. Sehr lange schon wollte der 37-jährige Österreicher Priester werden. Nur wo, das wusste er nicht. Nach 13 Jahren als zölibatär lebender Laie beim Opus Dei und einem Studium der Molekularbiologie entschied er sich für die Piusbrüder. Am 30. Juni 2018 wird er zum Priester geweiht: am 30. Jahrestag der unerlaubten Bischofsweihen. Dann dürfte er, nach einer Erlaubnis von Papst Franziskus im Heiligen Jahr der Barmherzigkeit, auch offiziell das Bußsakrament spenden und - mit Zustimmung des Ortsbischofs - an katholischen Trauungen mitwirken.

Noch keine Einigung mit Vatikan

Ein Schritt, mit dem der Vatikan auf die Piusbrüder zugeht. Zu einer Einigung hat er aber bisher nicht geführt. Unbegrenzt Zeit für ein wie auch immer geartetes Abkommen mit Rom haben die Piusbrüder indes nicht. Denn sie brauchen Bischöfe für die Priesterweihen und somit den Fortbestand der Bruderschaft. Nach dem Ausschluss des Holocaust-Leugners Richard Williamson - ein Skandal, der 2009 mit einem Fernsehinterview in Zaitzkofen begann - verfügt die Bruderschaft weltweit noch über drei Bischöfe. Der jüngste unter ihnen, Bernard Fellay, seines Zeichens Generaloberer der Priesterbruderschaft, vollendete gerade sein 60. Lebensjahr.

Dass es noch immer keine volle kirchenrechtliche Anerkennung der Priesterbruderschaft Pius X. gibt, scheint die drei Seminaristen nicht sehr zu stören. Sie sind überzeugt, den einzig richtigen Weg zu gehen: den der Kirche und der Päpste vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil, den von früher. Sie sehen sich als Kämpfer für den wahren katholischen Glauben, die nur eine wahre Kirche, die wahre Tradition - also die von der Zeit vor 1962.

Ein Gong ertönt. Die Piusbrüder in ihren langen, schwarzen Soutanen eilen wieder in die gelbe Schlosskapelle. Es ist Punkt 21 Uhr, das Nachtgebet beginnt. Die Dunkelheit neigt sich über den Ort und das Schloss. Quietschend schließt sich das Tor des Priesterseminars und versperrt den Zugang hinein und heraus. Ein Traktor rumpelt über die Straße, dann ist es wieder ganz still im Dorf.


Seminaristen und Priester der Priesterbruderschaft St. Pius X. / © Maria Irl (KNA)
Seminaristen und Priester der Priesterbruderschaft St. Pius X. / © Maria Irl ( KNA )

Messe in der außerordentlichen Form des römischen Ritus in der Kirche des Priesterseminars Herz Jesu der Priesterbruderschaft St. Pius X. / © Maria Irl (KNA)
Messe in der außerordentlichen Form des römischen Ritus in der Kirche des Priesterseminars Herz Jesu der Priesterbruderschaft St. Pius X. / © Maria Irl ( KNA )

Messe im Priesterseminar der Piusbruderschaft / © Maria Irl (KNA)
Messe im Priesterseminar der Piusbruderschaft / © Maria Irl ( KNA )
Quelle:
KNA
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