"Es soll ja schön und harmonisch aussehen!", freut sich Diego Clara mit einem leisen Lächeln. Denn am Ende gehe es immer wieder um die Eitelkeit der Gruppe oder des Ortes - wenn das Herz Jesu in Flammen steht und zeigt: Südtirol und seine Bewohner sind vereint im Zeichen des Herrn, vertrauen auf seinen Schutz - und das seit 1796. Die Bergfeuer am Herz-Jesu-Sonntag, dem dritten Sonntag nach Pfingsten, gehen auf das Gelöbnis zurück, welches die Kirche und die Tiroler Landesstände 1796 in Bozen geleistet haben.
Es ist die Zeit der Napoleonischen Kriege zwischen 1792 und 1815, Frankreich kämpft im Nachgang der Französischen Revolution gegen Österreich in wechselnden Bündnissen um die Vormachtstellung in Europa. Konfrontiert mit der Gefahr des Einmarschs durch die Truppen Napoleons I. vertrauten die Tiroler ihr Land dem "Heiligsten Herzen Jesu" an und schworen, dieses Gelöbnis jedes Jahr aufs Neue zu erneuern.
Auch für Protestanten
Zeichen dafür sind heute noch die Bergfeuer, die an diesem besonderen Tag entzündet werden und den Himmel über Südtirol beleuchten. Ein wichtiges Ereignis, bei dem die Menschen der Region auf den Beinen sind, aber auch Gäste und Touristen – also auch Protestanten – können dabei sein. Am besten kann man sich alles vom Tal aus ansehen.
Auch wenn Anfang Juni noch Nebensaison ist, so ist es doch Gelegenheit, in Geschichte und Brauchtum der Region einzutauchen. Vor allem zeigt der Brauch die Gemeinschaft der Menschen in Südtirol, der Autonomen Provinz Bozen. Aber auch die Menschen in Nord- und Osttirol, heute das österreichische Bundesland Tirol mit seiner Landeshauptstadt Innsbruck, und im "Welschtirol" (heute Trentino) feiern den Bund mit Jesus Christus. Diego Clara, Journalist aus St. Vigil schaut hinauf zum "Pla", der historischen Herz-Jesu-Feuerstätte des Ortes im Enneberger Tal nahe Bruneck.
Öl und Spiritus, Lumpen und Kleinholz
Auf der Spitze, etwa in 1.600 Metern Höhe, werden er und seine zwölf Mitstreiter am 10. Juni das Herz mit einem Kreuz entzünden: "Am Nachmittag des Herz-Jesu-Sonntags werden dann Brennmaterial in Form von Öl und Spiritus, aber auch Lumpen und Kleinholz, hinaufgebracht", erklärt Diego auf dem Weg nach oben. Ein Stück geht es mit dem Auto, dann rund eine Stunde und etwa 400 Höhenmeter zu Fuß aufwärts – über Brücken, etwas Geröll im Bachlauf, der vom Piz da Peres (2507) herabkommt, durch dichten Kiefernwald mit Ausblicken auf den Pares (2385), der bereits im Gebiet Fanes-Sennes-Prags liegt, mit mehr als 25.000 Hektar einer der größten Naturparks in Südtirol.
Das Brennen des Herz-Jesu-Feuers ist, wenn auch mit ein paar Ausnahmen, bis heute reine Männersache. Die Umrisse des Herzens werden mittels fest montierter großer Konservendosen vorgegeben. "Da wird dann von unten geschaut, ob alles stimmt! Oder ob etwas verschoben werden muss, denn die Natur ist ja immer in Bewegung!" Die Akribie reicht mancherorts sogar soweit, dass mit dem Theodolit oder einer speziellen App gemessen wird, wo die Punkte zu setzen sind.
Ort des Feuers
Die Feuer werden auf freien Wiesenflächen, aber auch in Felsvorsprüngen, Nischen oder Geröllhalden platziert. "Je höher es hinaus geht, umso alpinistischer ist auch der Anspruch an die Vorbereitungen!" Die Feuer brennen lange bis in den späten Abend hinein, zur Nacht hin wird alles gelöscht, aufgeräumt und abgestiegen. Hinter dem "Herz-Jesu"-Brauchtum stehen die Leute aus den Dörfern, aus Vereinen der Feuerwehr, dem Fußballverein oder der Bergwacht.
Aber oft sind es auch ganze Vereinsgruppen, wie die Schützenkompanie Onach unter ihrem Hauptmann Stefan Liensberger, die ihr Feuer oberhalb vom Ort errichten: "Es ist zwar nur ein einfaches Feuer aus aufgeschichtetem Holz, wir sind aber auch nur rund 300 Einwohner", berichtet Liensberger am Abend in Bruneck.
Gebet und Lied
Anhand der Brauchtumspflege der Schützen zeigt sich einerseits die kriegshistorische Verwurzelung durch das Trachten- und Waffentragen, aber auch die kirchlich-religiöse: "Wir wirken bei vier Prozessionen im Jahr mit: an Fronleichnam, an Herz-Jesu, am Patronatsfest der Kirche und an Erntedank." Bevor abends die Feuer entzündet werden, beginnt der Tag mit den Festhochämtern in den Ortskirchen und anschließenden Prozessionen. Auch werden Herz-Jesu-Gebete gesprochen und das Herz-Jesu-Lied gesungen. Herzen in Flammen, ein Tiroler Adler oder auch Schriftzüge wie "Tirol" oder "Freiheit": All dies steht für das Religiöse und Politische der Herz-Jesu-Feuers.
Das Herz-Jesu-Feuer steht für gelebte Gemeinschaft und ihre stetige Erneuerung. Oder, wie es im "Herz-Jesu-Lied" – von Josef Seeber (Text) und Ignaz Mitterer (Melodie) anlässlich der 100-Jahr-Feier 1896 komponiert - heißt: "Auf zum Schwur, Tiroler Land, heb zum Himmel Herz und Hand! Was die Väter einst gelobt, da der Kriegssturm sie umtobt: Das geloben wir aufs Neue: Jesu Herz, dir ew'ge Treue Auf dem weiten Erdenrund gibt es keinen schönern Bund.
Lästern uns die Feinde auch, Treue ist Tiroler Brauch. Drum geloben wir aufs Neue: Jesu Herz, dir ew'ge Treue!"