Die Schutzpatrone der 32 WM-Teilnehmer

Knut, Sankt Martin und die Heilige Familie

32 Nationen nehmen an der Fußball-WM 2018 in Russland teil. Da ist nicht nur der Fußballgott von allen Seiten gefragt, auch die jeweiligen Schutzpatrone haben alle Hände und Füße voll zu tun. Eine muss sogar gleich siebenmal ran...

Autor/in:
Von Alexander Brüggemann
Statue des heiligen Martin von Tours / © Alexander Brüggemann (KNA)
Statue des heiligen Martin von Tours / © Alexander Brüggemann ( KNA )

Ägypten: Salah ist groß, Salah ist mächtig. Doch der angeschlagene Superstürmer von Jürgen Klopps Champions-League-Finalist FC Liverpool kann es nicht alleine richten. Beistand muss vom Evangelisten Markus kommen, der einst die christliche Gemeinde von Alexandria gründete - und als dessen Nachfolger bis heute der koptische Papst amtiert.

Argentinien: Hellblau und weiß, das sind die Trikotfarben der Franziskus-Nation Argentinien. Und es sind auch die Farben der Virgen de Lujan, des wundertätigen Marienbilds aus dem Jahr 1630. Ob am Abend des 15. Juli das ganze Land so wie "Unsere Liebe Frau von Lujan" einen Strahlenkranz tragen kann?

Australien: Der einzige ozeanische WM-Teilnehmer setzt auf den Spanier Franz Xaver (1506-1552) als Nationalpatron. Der Gründer der Jesuitenmission wird oft mit flammendem Herzen dargestellt - schon allein das dürfte die Australier für ihn eingenommen haben. Allerdings: Franz Xaver ist auch der Patron für eine gute Sterbestunde. Tendenz: früher Heldentod.

Belgien: Nationalpatron der Flamen und Wallonen ist Josef von Nazareth (vor 20 v. Chr - ca. 20), ein kerniger Recke im defensiven Mittelfeld, der eigentümliche Visionen aushält und sein Handwerk versteht. Eher Verteidiger als Stürmer, ermöglicht er durch Standhaftigkeit und Duldsamkeit das Allergrößte.

Brasilien: Braucht die Fußballnation Nummer eins überhaupt eine Schutzpatronin? Wenn ja: Es ist "Nossa Senhora Aparecida", eine wundertätige Marienstatue aus Ton, die einst von Fischern aus dem Wasser gezogen wurde und für einen fetten Fang sorgte. Allerdings: Ihr Auffindungsdatum - 1717 - kann für die "Selecao" gleich eine doppelte Erinnerung sein an die 1:7-Klatsche gegen Deutschland vor vier Jahren...

Costa Rica: Und wieder Maria: Das kleine Costa Rica verehrt die "Virgen de los Angeles". Die kleine Skulptur der "Jungfrau von den Engeln" wurde 1635 von einem kleinen Mädchen im Wald entdeckt und nach Hause mitgenommen - doch sie kehrte immer wieder an ihren Ursprungsplatz zurück. Spricht nicht für eine lange Verweildauer in Russland.

Dänemark: Der heilige König Knut IV. (ca. 1043-1086) soll einst angeordnet haben, dass die Weihnachtszeit auf 20 Tage verlängert wird - bis zum Knutstag (13. Januar). Sollte er das WM-Turnier für die Dänen ebenfalls auf 20 Tage verlängern, wäre das ein schöner Erfolg: Viertelfinale!

Deutschland: Der Apostel deutscher Tugenden ist ausgerechnet ein Brite. Der heilige Bonifatius (672-754) war als Missionar ganz vorne und trieb den Germanen beim Auswärtsspiel in Fulda schon früh den Mythos von der deutschen Eiche aus. Seitdem agierte das Team von Jogi Löw immer flexibler - und wurde 2014 durch einen Götze(n) Weltmeister.

England: Die EU-Aussteiger von der Insel holten ihren Nationalpatron aus der Türkei - Ablösesumme unbekannt. Der heilige Georg von Kappadokien, ermordet um 303 bei der Christenverfolgung unter Diokletian, ist bekannt als tapferer Ritter und Drachentöter. Erklärt sich so, dass die Elf unter dem Georgskreuz nie aufgibt - außer beim Elfmeterschießen?

Frankreich: Nach dem verlorenen "EM-Finale dahoam" greifen die Franzosen wieder an - mit einem ehemaligen Soldaten an der Spitze. Der heilige Martin, Bischof von Tours (316-397) und gebürtiger Ungar, steht gegen die Le Pens für ein multikulturelles Frankreich. Doch er hat einen schwachen Punkt: Er teilt allzu gern mit anderen.

Iran: Der heilige Maruthas (gest. 422) war Bischof von Sophene und Tagrith. Der studierte Arzt wurde vom oströmischen Kaiser an den Hof des persischen Großkönigs gesandt und erwirkte dort eine gewisse Toleranz gegenüber den Christen. Zu seinen Hauptwerken gehört eine Geschichte der persischen Märtyrer.

Island: Bei den Heiligen spielte er zwar bis 2016 nicht Erste Liga. Doch Thorlak Thorhallsson (1133-1193), Bischof von Skalholt, sorgte stets für Disziplin auf dem Platz. Ausgebildet in Paris und Lincoln, ließ er den Bauern seines Bistums keinen Schlendrian durchgehen. Sein bislang größter Erfolg: der furiose Viertelfinaleinzug bei der EM vor zwei Jahren!

Japan: Auch die Hochtechnologie-Nation Japan hat den erfahrenen Missionar Franz Xaver (1506-1552) an der Seitenlinie. Der Mitbegründer des Jesuitenordens brachte das Christentum nach Japan, Pierre Littbarski, Uwe Bein, Lukas Podolski und Iniesta die westliche Spielkultur.

Kolumbien: Das lateinamerikanische Land hat als Patron ebenfalls einen Jesuiten gewählt. Petrus Claver (1580-1654) kümmerte sich in der Küstenstadt Cartagena über vier Jahrzehnte aufopferungsvoll um die eintreffenden Sklaven. Seit 1985 wird er als Schutzpatron der Menschenrechte verehrt. Der Mann kann kämpfen...

Kroatien: Der spätantike Kirchenvater Hieronymus von Stridon (347-420) war hochgebildet, aber wegen seines mittelmeerisch-balkanischen Temperaments permanent rotgefährdet. Theologische Meinungsverschiedenheiten nahm er persönlich - und antwortete auch entsprechend. Sein stetiges Gebet: "Sei mir gnädig, Herr, da ich Dalmatiner bin."

Marokko: Der Afrikameister von 1976 nimmt bereits zum fünften Mal an einer WM teil - und das ohne einen Nationalpatron! Das streng muslimische Land zählt nach Abzug der einstigen Kolonialmacht Frankreich heute kaum mehr 25.000 Christen - für die meist Maria die erste Anlaufstation ist.

Mexiko: Dafür hat Mexiko eine Nationalpatronin - und was für eine. 1531 erschien dem Indigenen Juan Diego Cuauhtlatoatzin viermal die Jungfrau Maria. Heute zieht das Gnadenbild der «Virgen de Guadalupe» so viele Millionen Pilger an, dass nur eine Rolltreppe den Zustrom bewältigen kann. Der zehnfache Nord- und Zentralamerikameister Mexiko nahm 15 mal an der WM teil - doch im Viertelfinale war spätestens Schluss.

Nigeria: Die bevölkerungsreichste Nation Afrikas führt ihren Schutzpatron ständig mit sich: mit den traditionell grünen Trikots. Da sich Irland nicht für die WM qualifiziert hat, kann sich der heilige Patrick (um 400-461/91) diesmal ganz auf seinen Zweitjob konzentrieren. Als Theologe/Techniker ein eher unsicherer Kandidat, kannte er doch alle Tricks - und trug so viele Siege davon.

Panama: Der kleine WM-Neuling aus Mittelamerika hat einen weiteren Spanier als Beschützer. Franz von Solano (1549-1610), der "Wundertäter der Neuen Welt", predigte auf offener Straße mit dem dreisaitigen Raffele (Scherrzither). Der Franziskaner sorgte in Peru für Pestkranke und ist Patron gegen Erdbeben.

Peru: Die heilige Rosa von Lima (1586-1617) ist Patronin der Gärtner und Blumenhändler. "Herr, vermehre meine Leiden, aber auch meine Liebe" war das Leitgebet der dominikanischen Büßerin. Zu hoffen ist, dass sie bei der WM nicht viel zu leiden hat. Peru ist erstmals seit 36 Jahren bei einer WM-Endrunde dabei.

Polen: Unser östlicher Nachbar hat Lewandowski - und ist auch nicht knapp an Heiligen. Bischof Stanislaus von Krakau (um 1030-1079) aber war ein besonderer Kämpfer: Für seine Überzeugung widerstand er sogar dem König und Polens Primas - und bezahlte mit seinem Leben. Er steht aber auch für Effizienz. Eine alte Bauernregel sagt: "Wenn sich naht Sankt Stanislaus, rollen die Kartoffeln raus."

Portugal: "CR7" heißt die Ikone mit den gezupften Augenbrauen und dem so gerne ausgepackten Astralkörper. Schutzheiliger des Europameisters ist ein Gegenentwurf zu Ronaldo: der demütig gewordene Millionärssohn, Franziskaner und Fastenprediger Antonius von Padua (1195-1231), Helfer bei verlorenen Gegenständen. Können die Portugiesen mit ihm ihren einstigen Weltmachtstatus wiederfinden?

Russland: Die Russen setzen beim geistlichen Beistand auf Kleinasien. Der Apostel Andreas, Bruder des Petrus, ist ausgerechnet Patron des Patriarchats von Konstantinopel, des ewigen Rivalen des russisch-orthodoxen Moskauer Patriarchen. Moskau, das "dritte Rom", vertraut auf den Schutzmann des "zweiten Rom" im Osten. Kann gutgehen - zumal die Türken zuhause bleiben müssen.

Saudi-Arabien: Die öffentliche Ausübung des Christentums ist im Land der Wahhabiten verboten. Fußball wird seit 1957 gespielt. Frauen dürfen ab Juni 2018 Auto fahren.

Schweden: Die heilige Birgitta (1303-1373) tat alles, was Kirche gut findet: Sie gebar acht Kinder, bevor ihr Mann und sie sich für das Ordensleben entschieden. Birgitta gründete eine bis heute wirkmächtige Ordensgemeinschaft und redete selbst dem Papst ins Gewissen. Ob sie einen so schönen Zopf hatte wie der Ur-Schwede Zlatan Ibrahimovic, ist nicht überliefert.

Schweiz: Muss man sich wundern, dass ein Einsiedler die Schweiz beschützt? Nikolaus von Flüe (1417-1487) war ein Visionär, Bauer, Familienmensch. Doch er war zu Höherem berufen - und so machte er seine Berufung zu seinem zweiten Leben: die Verteidigung des Glaubens. "Bruder Klaus" wurde zum Vorbild des defensiven "Schweizer Riegels", der in den 1930er bis 50er Jahren vor allem auf Konter setzte. Senegal: Das westafrikanische Land hat einen islamischen

Nationalheiligen: Amadu Bamba (1854-1927), den Begründer der einflussreichen Bruderschaft der Muridiya. Von den Kolonialherren als Bedrohung exiliert, rankten sich in der Heimat bald zahlreiche Legenden um sein wundersames Überleben. Tendenz: taugt für Überraschungen!

Serbien: Der heilige Sava (um 1174-1236) war ein Rechtslehrer, hohes Tier in der Mönchsrepublik Athos, Erzbischof und Klostergründer. Er verschaffte Serbien seinen Platz in der europäischen Geisteswelt. An den Gruppengegnern Brasilien und Schweiz kam er bei seinen weiten Pilgerfahrten allerdings nicht vorbei. Ein schlechtes Omen?

Spanien: Für die Spanier ist er allein der "wahre Jakob" (gest. um 44) - der heilige Jakobus. Seit Papst Johannes Paul II. 1980 den Jakobsweg nach Jahrhunderten der Flaute auf die europäische Agenda zurückbrachte, führen wieder alle Wege zum Apostelgrab nach "Sant-Iago". Und mit den Pilgern kamen allmählich auch die Titel zurück: Weltmeister 2010, Europameister 2008 und 2012.

Südkorea: Von den rund 52 Millionen Südkoreanern ist etwa jeder neunte Katholik. Ihre Heldin ist die Jungfrau von der Unbefleckten Empfängnis. Der Held im Trikot beim WM-Vierten von 2002 ist bis heute der Ex-Frankfurter Bum-kun Cha. Mannschaftszeichen ist der Tiger, Symbol für Stolz und Status.

Tunesien: Den Kirchenvater Cyprian, Bischof von Karthago (um 200/210-258), drängte es zum Martyrium - nachdem er sich der Christenverfolgung unter Kaiser Decius noch durch Flucht entzogen hatte. Am Ende stürzte er sich umso stärker in den Kampf. Sein Team Tunesien, Afrikameister von 2004, hofft auf den zweiten Sieg in einem WM-Gruppenspiel (nach 1978).

Uruguay: Und noch mal ein Marienbild: Die "Virgen de los Treinta y Tres" (Jungfrau der 33) wurde 1825 in der Stadt Florida von den "33 Orientalen" verehrt, einer revolutionären Gruppe, die die Unabhängigkeit von Brasilien erstritt. Die Madonna trägt eine riesige Goldkrone; vielleicht rührt daher die Vorliebe der Uruguayer für Gelbe Karten.


Quelle:
KNA