DOMRADIO.DE: Wie unterscheidet sich das katholische und orthodoxe Eucharistieverständnis? Gibt es da überhaupt große Unterschiede?
Augoustinos Lambardakis (Erzbischof und Metropolit der griechisch-orthodoxen Metropolie von Deutschland und Exarch von Zentraleuropa des Ökumenischen Patriarchats von Konstantinopel): Gestatten Sie mir ganz lakonisch zu antworten: das Eucharistieverständnis der katholischen und der orthodoxen Kirche ist identisch. Denn wir sind uns darin einig, was die Bedeutung des Leibes und des Blutes Christi für die einzelnen Gläubigen und was die Feier der Eucharistie für die Ortsgemeinde und für die Kirche überhaupt bedeutet. Unterschiede gibt es allenthalben in der Art und Weise, wie die Eucharistie gefeiert und gespendet wird, oder bei der Häufigkeit und der Vorbereitung des Kommunionempfangs.
Wir sind uns also einig, dass die Eucharistie im Zentrum unseres Kirche-Seins steht. Die Kirche findet ihren Ausdruck in der Eucharistie. Wenn sie nicht Eucharistie feiert, ist sie keine Kirche mehr. Und umgekehrt gilt deshalb: Die Eucharistie konstituiert die Kirche, Eucharistie bedeutet Kirche. Und somit stellt die Eucharistie auch die Einheit der Kirche dar. Eine theologisch äußerst spannende Frage, die derzeit von der offiziellen theologischen Dialogkommission unserer Kirchen diskutiert wird, ist deswegen allerdings: verstehen wir das Gleiche, wenn wir von Kirche sprechen? Was konstituiert außerdem die Kirche? Die katholische Seite bringt an dieser Stelle den Papst als Nachfolger Petri und universalen Hirten der Kirche ins Gespräch. Über diese und andere Fragen diskutieren wir gerade.
DOMRADIO.DE: Könnten also Katholiken zur orthodoxen Kommunion gehen? Wie sieht das mit evangelischen Christen aus? Dürfen die, wenn sie mit einem orthodoxen Ehepartner verheiratet sind, zur orthodoxen Kommunion gehen?
Lambardakis: Solange die Einheit der Kirche noch nicht erreicht ist, ist eine Interkommunion unsererseits nicht zulässig. Dies gilt generell und hier wird auch nicht zwischen verschiedenen Personengruppen unterschieden.
DOMRADIO.DE: Wie gehen sie auf dem Hintergrund der aktuellen Diskussionen damit um, dass es gemischt-konfessionelle Ehen gibt, aber eben nicht die Möglichkeit der "Interkommunion"?
Lambardakis: Selbstverständlich sind uns die Herausforderungen der konfessionsverschiedenen Ehen genau so bekannt wie Ihnen. Das habe ich vor einigen Tagen auch Kardinal Woelki bei unserem Jahresempfang in der Metropolie in Bonn gesagt. Ich habe ihn im Übrigen auch auf die derzeitige Diskussion in der katholischen Kirche Deutschlands angesprochen. Wörtlich habe ich gesagt: "In brüderlicher Hilflosigkeit verfolgen wir die Diskussionen, die zur Zeit in Ihrer Kirche stattfinden. Und in brüderlicher Solidarität wünschen wir Ihnen und Ihrer Kirche, jene Lösungen zu finden, welche die Kirchenlehre und die pastorale Verantwortung miteinander in Einklang bringen."
DOMRADIO.DE: Warum scheint die Frage der Kommunion für konfessionsverschiedene Ehepaare bei Ihnen kein so großes Thema zu sein? Wird das Thema bei ihnen überhaupt debattiert? Und wenn ja, wie?
Lambardakis: Dass die Gläubigen der Griechisch-Orthodoxen Metropolie ursprünglich aus Griechenland stammen, das ja ein fast monokonfessionell orthodoxes Land ist, ist bekannt. In der ersten Generation hatten wir deshalb kaum konfessionsverschiedene Ehen. Inzwischen lebt hier allerdings die dritte, ja sogar die vierte Generation orthodoxer Christinnen und Christen. Dementsprechend steigt und steigt die Zahl der Ehen mit nicht-orthodoxen Partnern. Soziologisch gesprochen nennt man das Integration. Ökumenisch gesprochen bedeutet es ja wohl, dass die Anwesenheit der Orthodoxie hierzulande zum Normalfall gehört.
Man kann also jetzt – in Abwandlung des bekannten Satzes – immer deutlicher sagen: die Orthodoxie gehört zu Deutschland. Dieses neue und stark wachsende Feld der Seelsorge stellt unsere Kirche vor ganz besondere Aufgaben, in diesem Fall mit ökumenischer Konnotation. Vor Jahren haben wir als Orthodoxe und Katholiken gemeinsam formuliert: "Zwar können die Ehepartner die noch bestehenden Probleme zwischen der orthodoxen und der katholischen Kirche nicht lösen, und sie spüren auch oft den Schmerz der Trennung. Ihre gemeinsame Erfahrung des Glaubens führt jedoch dazu, dass sie im zunächst Fremden das Gemeinsame entdecken, die Familie als "Kirche im kleinen" erleben und auf diese Weise auch zur wachsenden Gemeinschaft der Kirchen beitragen" (Aus der Handreichung "Ehen zwischen orthodoxen und katholischen Christen" der Deutschen Bischofskonferenz und der Griechisch-Orthodoxen Metropolie von Deutschland aus dem Jahr 1993). Ich bin überzeugt, dass diese Aussage nach wie vor zutreffend und aktuell ist.
DOMRADIO.DE: Haben Sie Verständnis dafür, dass konfessionsverschiedene Ehepartner ein Problem darin sehen, nicht gemeinsam die Kommunion zu empfangen?
Lambardakis: In der Ökumene hat sich in den vergangenen Jahren der von einem orthodoxen Theologen geprägte Begriff der "Liturgie nach der Liturgie" eingebürgert. Gemeint ist damit, dass nach orthodoxem Verständnis, jede soziale, karitative, ja sogar politische Aktivität eine unmittelbare Ableitung aus der Feier der Eucharistie ist. Diese wird sozusagen fortgesetzt, wenn wir nach der Feier der Göttlichen Liturgie (so nennen wir unsere Eucharistiefeier) in die Welt hinausgehen.
Gestatten Sie mir heute, einen anderen Begriff einzubringen: in unseren konfessionsverschiedenen Familien feiern wir zurzeit die "Liturgie vor der Liturgie". Vor der Ökumene des gemeinsamen Kommunionempfangs gibt es nämlich die Ökumene des gemeinsamen Lebens, d.h. des gegenseitigen respektvollen Wahrnehmens des Anderen, dort wo und wie er lebt. Es gibt die Ökumene des gemeinsamen Handelns in vielfältigen Zusammenhängen in unserem Land. Und es gibt schließlich die Ökumene der gemeinsamen Spiritualität, die sich in Gebet und Pflege der Theologie realisiert, was vielerorts bereits geschieht.
Das Interview führte Johannes Schröer.