Was die SPD zum Ende des Unionstreits sagt

"Ein unwürdiges Schaupiel"

Die Streitaxt in der Union ist - vorerst - begraben. Der gesuchte Konsens in der Asylpolitik wurde gefunden. Doch zugeschlagen ist das Kapitel noch nicht. Koalitionspartner SPD hat nach schweigsamen Tagen auch noch ein Wörtchen mitzureden.

In welche Richtung marschiert die SPD? / © Fredrik Von Erichsen (dpa)
In welche Richtung marschiert die SPD? / © Fredrik Von Erichsen ( dpa )

DOMRADIO.DE: Die Union ist nicht auseinandergebrochen, atmet da ein SPD-Politiker auf?

Wolfgang Thierse (SPD-Politiker und Mitglied im Zentralkomitee der deutschen Katholiken/ZdK): In bestimmter Weise ja, weil unsere Demokratie davon lebt, dass es funktionierende Volksparteien gibt. Die sind für die repräsentative, liberale Demokratie unersetzlich.

DOMRADIO.DE: Es kam auch immer wieder die Frage auf, ob die SPD als Regierungspartner bei dem ganzen Streit nicht die Rolle eines Mediators spielen sollte, also helfen sollte, diese Wogen zu glätten. Warum gab es von dieser Seite eher Zurückhaltung?

Thierse: Die fand ich ganz angemessen. Warum sollten wir uns in dieses unwürdige Schauspiel, in dieses rücksichtslose Drama zwischen CSU und CDU begeben? Das ist nicht Sache einer anderen Partei. Das mussten die miteinander ausfechten. Und sie haben es ja mit einer Erbitterung und Bösartigkeit ausgeführt, dass einen nur entsetzen konnte.

Demokratie ist Streit, aber Streit nach Regeln der Fairness und mit dem Ziel eines Kompromisses, eines Konsenses. Aber da ging es um Sieg oder Vernichtung. Merkel weg oder Seehofer weg. Das hat, glaube ich, für unsere Demokratie großen Schaden angerichtet, weil es Vertrauen und Glaubwürdigkeit zerstört hat. 

DOMRADIO.DE: Aber hätte es nicht auch die Regierungsfähigkeit zerstören können? Und wäre es dann nicht doch die Verantwortung der SPD gewesen, zu schlichten?

Thierse: Nein. Wieso soll die SPD den innerparteilichen Streit einer anderen Partei schlichten? Ich bin sicher, dann hätten sich CDU und CSU gemeinsam gegen die Einmischung der sozialen Demokraten gewehrt. Nein, das ist gegen die Regeln einer Demokratie. Eine Partei muss mit den eigenen Widersprüchen fertigwerden. Sie muss sich auch innerparteilich an die Regeln des friedlichen, fairen Streits halten. Und das hat diesmal vor allem die CSU nicht getan.

DOMRADIO.DE: Sie sind seit der Wende Politiker. Wie ist das, wenn zwei führende Köpfe sich so streiten wie jetzt Merkel und Seehofer? Kann man danach weitermachen, als wäre nichts geschehen? Wie ist da Ihre Einschätzung?

Thierse: Ich bin eher skeptisch. Ich glaube, da sind Wunden geschlagen worden, die nicht so schnell vernarben können. Und deswegen bin ich wirklich neugierig, wie das künftig zwischen Merkel und Seehofer gehen soll. Da muss doch jetzt ein abgrundtiefes Misstrauen herrschen. Wer wird sich künftig an welche Vereinbarung halten? Wird so etwas wiederkommen, solche Erpressungsversuche? Wird demnächst jemand anderes um sich schlagen und man steht wieder vor demselben Problem? Also ich bin sehr skeptisch.

DOMRADIO.DE: Dieser Kompromiss muss natürlich auch erstmal durchkommen, denn die Idee ist ja jetzt, diese Transitzentren an der Grenze zu bauen. Außerdem dürfen Menschen unter bestimmten Voraussetzungen an der deutsch-österreichischen Grenze abgewiesen werden. Das klingt sehr nach der Handschrift von Seehofer. Kann die SPD das überhaupt mitmachen?

Thierse: Ich bin neugierig. So genau wissen wir doch noch nicht, was Transitzentren sind. Ist das dasselbe, was vor drei Jahren mal vorgeschlagen worden ist? Ist es etwas anderes? Jetzt muss endlich mal wieder in der Sache genau, nüchtern und differenziert geredet werden. Es dürfen keine öffentlichen, rhetorischen Schlachten und Beschimpfungen mehr stattfinden. Da soll die SPD sich erstmal sachkundig machen, was gemeint ist und dann mit der CDU und CSU aushandeln, was das sein könnte.

Natürlich sind sich fast alle demokratischen Politiker einig, dass es Begrenzungen und Regelungen der Zuwanderung, der Flüchtlingsbewegungen geben muss. Aber sie müssen politisch vernünftig, rechtlich einwandfrei und menschlich anständig sein. Das sind für mich die drei Kriterien. Und daran muss man alle einzelnen Vorschläge messen.

Man liest und hört von einem Masterplan mit 63 Punkten. Das Verrückte ist doch, dass noch nicht einmal die CDU-Bundestagsabgeordneten diesen Masterplan kennen. Aber es wird öffentlich darüber wild herumspekuliert und gestritten. Das sind unhaltbare Zustände für eine vernünftige Regierung.


Wolfgang Thierse (dpa)
Wolfgang Thierse / ( dpa )
Quelle:
DR