Piusbruderschaft zwischen Tradition und Rom-Annäherung

Ein bisschen hin und hergerissen

Sie sehen sich als die wahren Hüter der katholischen Tradition. Sie fordern den Papst auf, Irrlehren zu widerrufen. Sie wollen aber auch wieder von der Amtskirche in Rom anerkannt werden. Ein intensiver Blick auf die traditionalistische Piusbruderschaft.

Piusbrüder  / © dpa (dpa)
Piusbrüder / © dpa ( dpa )

DOMRADIO.DE: Ab diesem Mittwoch kommen die Entscheidungsträger der traditionalistischen Piusbruderschaft zu ihrem Generalkapitel zusammen. Blickt man auf die Ansichten der Gemeinschaft, dann fällt auf, dass vor allem das Feiern der Messe nach dem erneuerten Ritus in der Landessprache und die Zuwendung des Priesters zum Volk den Mitgliedern der traditionalistischen Vereinigung ein Dorn im Auge ist. Aber auch andere zentralen Lehren der Katholischen Kirche seit dem Konzil vor 50 Jahren lehnen die etwa 600 Priester ab.

Was ist am Menschenrecht Religionsfreiheit oder an dem Feiern der Messe in Landessprache denn so schlimm, dass die Piusbrüder sie so vehement ablehnen?

Ludwig Ring-Eifel (Chefredakteur der Katholischen Nachrichtenagentur/KNA): Zunächst einmal zum Menschenrecht auf Religionsfreiheit: Das lehnen die Piusbrüder deshalb ab, weil sie meinen, dass damit sozusagen die Kirche auch die Freiheit zum Irrtum akzeptiere. Also, dass jeder glauben kann, was er will. Das ist sozusagen ein Freibrief, dann auch den falschen Weg zu wählen. Das kann die Kirche nach Vorstellung der Piusbrüder nicht dulden. Sie kann nur die wahre katholische Lehre dulden und alles andere ist Irrtum und muss auch so genannt werden. So sehen die das.

Dann zur neuen Messe: Die lehnen sie nicht so sehr wegen der Sprache ab. Da geht es nicht nur um die Frage Latein oder nicht Latein, sondern vor allen Dingen um die Form der Liturgie. Für sie ist die Messe eher eine Opferhandlung, während sie für uns mehr eine Kommunion, also eine Gemeinschaftshandlung ist. Das sind unterschiedliche theologische Ansätze, die doch sehr weit auseinander gehen.

DOMRADIO.DE: Die Konfliktgeschichte zwischen den Piusbrüdern und der Amtskirche ist lang. Einer der Höhepunkte war die Exkommunikation der widerrechtlich geweihten Bischöfe durch Rom vor 30 Jahren. Einer dieser Bischöfe ist der derzeitige Generalobere Fellay. Wie sicher ist denn dessen Wiederwahl?

Ring-Eifel: Er ist ja schon einmal im Jahr 2006 wiedergewählt worden. Er führt die Bruderschaft jetzt schon seit 24 Jahren. Es gilt allgemein als wahrscheinlich, dass er ein weiteres Mal gewählt wird, weil er doch die Bruderschaft recht erfolgreich geführt hat. Die Wachstumszahlen sind doch ziemlich beeindruckend. Sie reklamieren für sich, dass sie mittlerweile über 600 Priester haben und Hunderttausende Gläubige, die ihnen folgen. Das ist tatsächlich aus Sicht der Piusbrüder auch eine Erfolgsgeschichte.

DOMRADIO.DE: Trotzdem ist es ein bisschen erstaunlich, mit was für einem Selbstbewusstsein diese um die 600 Priester auftreten. Der Generalobere hat eine so genannte "correctio filialis" mit unterschrieben, die den Papst auffordert, mutmaßliche Irrlehren in Zusammenhang mit der Kommunion für wiederverheiratete Geschiedene zu widerrufen. Woher kommt diese "Dreistigkeit", als so kleine Gruppe das Oberhaupt einer Milliarden-Kirche unter Druck setzen zu wollen?

Ring-Eifel: Ich glaube das hängt damit zusammen, dass Sie meinen die Wahrheit zu vertreten. Wenn man glaubt, dass man auf der Seite der Wahrheit steht, kommt es nicht darauf an, ob man eine kleine Gruppe ist oder eine große Gruppe ist. Dann muss man halt auch für die Wahrheit kämpfen, selbst wenn man nur wenige Menschen repräsentiert. Das ist, glaube ich, der Kern ihres Selbstbewusstseins.

DOMRADIO.DE: Warum wollen denn die Piusbrüder bei all dem Streit dann überhaupt eine Eingliederung in die katholische Kirche?

Ring-Eifel: Sie sehen sich tatsächlich als katholisch an und glauben, dass sie eine wichtige Korrekturfunktion für die katholische Kirche haben, die nach ihrer Meinung zu sehr ins liberale Lager abgedriftet ist. Sie sind sozusagen der Gegenpart zu diesem liberalen Mainstream und sie wollen die gesamte katholische Kirche wieder auf das bringen, was sie für den richtigen Weg halten.

DOMRADIO.DE: Papst Franziskus stärkt die lokalen Kräfte der Kirche. Er bringt Bewegung in viele Debatten und hat gleichzeitig auf Annäherung zu den Piusbrüdern gesetzt. Wie passt das zusammen?

Ring-Eifel: Ich glaube, das hat damit zu tun, dass Papst Franziskus einfach ein Mann der Barmherzigkeit und der Seelsorge ist. Er will nicht, dass dieser kleine Teil, dieser radikale, traditionalistische Flügel sich komplett absondert, sondern er will die in den großen Schoß der Kirche zurückholen. Das wollte auch schon Papst Benedikt. Es ist einfach Aufgabe eines Papstes, dafür zu sorgen, dass eine Kirchenspaltung sich nicht verschärft, sondern dass Kirchenspaltungen überwunden werden.

DOMRADIO.DE: Obwohl Fellay exkommuniziert worden ist und Chef der Piusbrüder, gibt es noch traditionalistischere Kreise. Könnten die Piusbrüder, je nach Ausgang des Generalkapitels, noch weiter nach rechts rutschen?

Ring-Eifel: Das ist durchaus möglich. Allerdings ist Fellay gewissermaßen ein Garant dafür, dass es eben in diesem traditionalistischen Spektrum doch noch einen mittleren Kurs gibt. Es gibt da noch radikalere Kräfte, die ganz weg wollen - auch von Rom. Innerhalb dieses Spektrums ist er gewissermaßen noch ein gemäßigter.

DOMRADIO.DE: Der bisherige Präfekt der Glaubenskongregation, Kardinal Müller, war ein strikter Gegner der Piusbrüder. Sein Nachfolger Ladaria ist Jesuit. Was erwarten Sie von ihm?

Ring-Eifel: Ich glaube, dass er die Linie von Papst Franziskus auch in diesem Punkt befolgen und umsetzen wird. Das heißt: eine seelsorgerische Annäherung an die Piusbruderschaft, aber nicht eine dogmatisch theologische Annäherung.

Das Interview führte Hilde Regeniter.


Ludwig Ring-Eifel / © Elisabeth Schomaker (KNA)
Ludwig Ring-Eifel / © Elisabeth Schomaker ( KNA )

Bischof Bernard Fellay, Generaloberer der Piusbruderschaft / © Katharina Ebel (KNA)
Bischof Bernard Fellay, Generaloberer der Piusbruderschaft / © Katharina Ebel ( KNA )
Quelle:
DR
Mehr zum Thema