Der jüngst zum Kardinal erhobene Pedro Barreto, Leiter des Anden-Erzbistums Huancayo, fand bei seiner ersten Messe als Kardinal in der vergangenen Woche klare Worte: "Die Korruption dürfen wir nicht verschweigen, wir müssen sie aufdecken und bekämpfen." Seit vier Wochen dreht sich in Peru alles um korrupte Richter und Staatsanwälte. Geleakte Telefonmitschnitte aus Justizkreisen beweisen, was jeder vermutet oder sogar am eigenen Leib erfahren hat:
Ein Gerichtsurteil hat hier wenig mit Gerechtigkeit zu tun, sondern mit der Brieftasche und dem Grad des Einflusses der Beteiligten. In den vom Rechercheportal IDL-reporteros veröffentlichten Audiodateien können alle hören, wie Richter und Angeklagte über den Ausgang eines Urteils verhandeln oder sich gegenseitig Ämter und Gefälligkeiten zuschachern.
Null Toleranz
"Die Korruption darf die Menschen nicht dazu bringen, in Lethargie und Passivität zu versinken, weil sie meinen, man könne sowieso nichts dagegen tun", warnt der 74-jährige Jesuit Barreto im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Die jüngsten Enthüllungen haben Öffentlichkeit, Behörden und Politiker wachgerüttelt. Richter wurden abgesetzt oder sogar verhaftet, politisch Verantwortliche traten zurück, korrupte Distriktbürgermeister und ihre Mafia wurden festgesetzt. "Das einzig wirksame Mittel gegen Korruption ist, ihr mit Null Toleranz zu begegnen", sagt Barreto und lobt diesbezügliche Bemühungen von Perus Präsidenten Martin Vizcarra.
Dieser hatte in seiner traditionellen Ansprache am Nationalfeiertag am 28. Juli weitreichende Reformpläne bekanntgegeben. Unter anderem soll das Volk über eine Verfassungsänderung abstimmen, die vorsieht, dass Richter nicht mehr von einem internen Richtergremium gewählt, sondern transparent ernannt werden. "Die Pläne des Präsidenten zur Bekämpfung von Korruption stimmen mich hoffnungsvoll", sagt Barreto.
Reformen gefordert
"Und es ist sehr wichtig, dass die peruanische Zivilgesellschaft ihn dabei unterstützt, denn aus dem Parlament wird er Gegenwind bekommen." Auch die Peruanische Bischofskonferenz hatte kurz nach Bekanntwerden des ersten Telefonmitschnitts einschneidende Reformen bei der Richterbestellung gefordert. Dabei verwiesen die Bischöfe unter anderem auf die Worte von Papst Franziskus, der bei seinem Besuch in Peru im Januar die Korruption angeprangert hatte.
Wegen des Verdachts der Verstrickung in den Korruptionsskandal rund um den brasilianischen Baukonzern Odebrecht musste Vizcarras Vorgänger im Amt, Pedro Pablo Kucyznski, im März vorzeitig abdanken.
Schlange stehen und Schmiergeld zahlen
Denn nicht nur das Justizwesen in Peru ist korrupt. "1,8 bis 5,2 Prozent berechnen die Firmen bei einer öffentlichen Ausschreibung für Schmiergelder ein", sagt der Kriminologe Jaris Mujica von der Katholischen Universität in Lima. Korruption sei schwer zu messen. Am ehesten könne man das Korruptionsrisiko daran erkennen, ob es institutionell geregelte Abläufe und Compliance-Instrumente gebe, so Mujica. Genau das sei in Peru schwierig, stammten doch 70 bis 80 Prozent des Bruttoinlandsproduktes aus der Schattenwirtschaft - dazu gehören nicht registrierte Händler, Geldwechsler oder Goldschürfer ebenso wie Kokabauern und große Drogenhändler.
Und doch kann Mujica auch auf Fortschritte verweisen. "Vor 20 Jahren noch musste man tagelang Schlange stehen und Schmiergeld bezahlen, um einen Personalausweis zu bekommen", erinnert er sich. Mit der Modernisierung und Digitalisierung - etwa dem Verzicht auf Barzahlung – hat die Einwohnerbehörde Reniec ihre Effizienz erhöht und nebenbei auch die Korruption erfolgreich bekämpft.
Ein Schritt, dem weitere folgen müssen, meint Kardinal Barreto. Auch die Kirche sei gefragt und müsse sich für einen gesellschaftlichen Kulturwandel einsetzen – "hin zu einer Kultur der Ehrlichkeit und der Integrität".