"Wenn es Hunde wären, wäre schon der Tierschutz eingeschritten", sagte Montenegro, Erzbischof von Agrigent und Präsident der italienischen Caritas, der Zeitschrift "Famiglia Cristiana" (Onlineausgabe Freitag). Im Wissen um die schwerwiegende Situation der Menschen an Bord mache man sie zu "Tauschware". Darüber sei er "angewidert", sagte der Kardinal.
Konsequent sein
Montenegro widersprach dem Argument, dass auch viele Katholiken den Kurs von Innenminister Matteo Salvini von der rechtspopulistischen Lega teilten. Man könne sich als Christ nicht einzelne Seiten des Evangeliums aussuchen und andere ablehnen. "Wer den Nächsten zurückweist, weist Christus zurück", sagte der Kardinal.
Es gehe nicht an, Jesus im Brot der Eucharistie zu empfangen, "das nicht spricht, sauber und weiß ist, aber wenn dieser Jesus, an den ich glaube, den Fehler macht, sich in zerrissenen Hosen zu präsentieren, und stinkt und Hunger hat, dann halte ich ihn mir vom Leib", sagte Montenegro.
Nur ein kleiner Teil einer weltweiten Bewegung
Zum Einwand, man könne nicht alle aufnehmen, sagte der Kardinal, die in Europa ankommenden Boote seien nur ein kleiner Teil einer weltweiten Bewegung von 245 Millionen Migranten. "Wenn die Völker wandern, ist es die Geschichte, die sich verändert", sagte Montenegro. Man dürfe nicht "so blind" sein, sich dies nicht klarzumachen.
Das Schiff "Diciotti" der italienischen Küstenwache liegt seit Montag im sizilianischen Catania, nachdem es zuvor schon fünf Tage auf dem Mittelmeer unterwegs war. Von den 177 Migranten an Bord durften 27 Minderjährige am Mittwochabend das Schiff verlassen. Eine Erlaubnis zum Landgang für die übrigen knüpft Italien an die Zusage anderer EU-Staaten, die Flüchtlinge aufzunehmen. Vermittlungsgespräche in Brüssel blieben am Freitag erfolglos. Inzwischen traten zahlreiche Passagiere der "Diciotti" laut italienischen Medienberichten in Hungerstreik.