Vor 85 Jahren Erstaufführung des Liedes "Moorsoldaten" im KZ

Mit dem Spaten zur Zwangsarbeit

Es ist eines der bekanntesten Widerstandslieder: "Moorsoldaten". Ernst Busch hat es interpretiert, die Toten Hosen auch. Vor 85 Jahren wurde es zum ersten Mal bei einer "Zirkus"-Veranstaltung in einem KZ gesungen.

Autor/in:
Leticia Witte
Ehemaliges Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau (KNA)
Ehemaliges Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau / ( KNA )

Der Text stammt von einem Bergmann und einem Schauspieler, die Musik komponiert ein kaufmännischer Angestellter. Es singen am 27. August 1933: Häftlinge des Konzentrationslagers Börgermoor. Vor 85 Jahren wurde erstmals das Lied von den "Moorsoldaten" aufgeführt, das eines der bekanntesten Lager- und Widerstandslieder wurde und nach dem Zweiten Weltkrieg zum politischen Liedgut in Ost und West gehörte. Es gibt Versionen etwa von Ernst Busch, Paul Robeson, Hannes Wader und The Dubliners ("The Peat Bog Soldiers"). Zeitgenossen wie die Toten Hosen interpretierten den Song ebenfalls.

Bei der Uraufführung stimmten einem Augenzeugenbericht zufolge sogar anwesende SS-Leute ein. Von Rudi Goguel, der die Musik zu den "Moorsoldaten" ersann, sind diese Erinnerungen überliefert: "Von Strophe zu Strophe steigerte sich der Refrain, und bei der letzten Strophe sangen auch die SS-Leute, die mit ihren Kommandanten erschienen waren, einträchtig mit uns mit, offenbar, weil sie sich selbst als 'Moorsoldaten' angesprochen fühlten."

Dabei waren ganz andere gemeint, nämlich die politischen, meist kommunistischen Häftlinge in dem früh errichteten KZ, das zu den 15 Emslandlagern gehörte. In Börgermoor führten Gefangene das Lied erstmals bei einer Veranstaltung namens "Zirkus Konzentrazani" auf.

Lied über Strapazen der Zwangsarbeit wurde verboten

Zuvor hatte es einen nächtlichen Übergriff seitens der SS mit Verletzten gegeben. Als Protest gegen diese "Nacht der langen Latten" und den Terror im Lager stellten Häftlinge eine Kulturveranstaltung auf die Beine, die genehmigt worden war.

In der Überlieferung von Goguels Erinnerungen heißt es dazu: "Die 16 Sänger, vorwiegend Mitglieder des Solinger Arbeitergesangsvereins, marschierten in ihren grünen Polizeiuniformen (unsere damalige Häftlingskleidung) mit geschulterten Spaten in die Arena, ich selbst an der Spitze in blauem Trainingsanzug mit einem abgebrochenen Spatenstiel als Taktstock. Wir sangen, und bereits bei der zweiten Strophe begannen die fast 1.000 Gefangenen den Refrain mitzusummen."

Kurz nach der Aufführung wurde im Lager das Lied über die Strapazen der Zwangsarbeit, Sehnsucht nach den Lieben und Hoffnung auf ein Ende des Leids verboten. Dennoch verbreitete es sich rasch. Fietje Ausländer, Mitarbeiter der Gedenkstätte Esterwegen, berichtet von Liedblättern, die Gefangene aus dem Lager schmuggelten, weil sie entlassen oder verlegt wurden. "Es ging von Lager zu Lager." Selbst die Frauen im KZ Ravensbrück hätten die Strophen gesungen, ebenso die Internationalen Brigaden im Spanischen Bürgerkrieg (1936-1939). In der französischen Resistance ist es als "Chant des Marais" bekannt.

KZ-Lied "Moorsoldaten" sollte Hoffnung geben 

Und dann war da noch das Buch "Die Moorsoldaten. 13 Monate Konzentrationslager" von Wolfgang Langhoff, der mit Johann Esser den Text zu dem Lied verfasste. Langhoff ging nach seiner Gefangenschaft in Börgermoor ins Schweizer Exil. Sein Bericht erschien bereits 1935 und beschreibt auch die Entstehung des Liedes. Die erste Tonaufnahme mit Ernst Busch erschien Ausländer zufolge 1937 auf einer Schellackplatte.

Der Experte sagt, "Moorsoldaten" sei "das KZ-Lied schlechthin" und auch eines der wichtigsten Widerstandslieder. Es sei in bis zu 15 Sprachen übersetzt worden, auch ins Jiddische. Wer in Westdeutschland die Moorsoldaten" noch nicht aus dem Schulunterricht kannte, hörte sie von Sänger Hannes Wader oder der Band The Dubliners. In der DDR war es ebenfalls aus dem Unterricht bekannt, zudem vom staatlich gelenkten "Festival des politischen Liedes". Vor ein paar Jahren kam dann die Toten-Hosen-Interpretation auf den Markt. 

"Das Lied sollte Hoffnung geben und drückt eine Freiheitssehnsucht aus", sagt Ausländer über das Original und unterstreicht, warum es bis heute eine Art Klassiker ist. Das Stück lehne sich auf gegen Unterdrückung und menschenunwürdige Verhältnisse. In den letzten Zeilen klingt es nach Aufbruch: "Dann ziehn die Moorsoldaten nicht mehr mit den Spaten ins Moor." Ausländer zitiert aus einem Brief eines Börgermoorer Häftlings vom 30. August 1933, also drei Tage nach der Uraufführung des Liedes, an seine Frau: "Sonntag war hier großer Zirkus." Und: Für ihn sei es der schönste Tag seit sechs Monaten gewesen.


Quelle:
KNA
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