DOMRADIO.DE: Viele Mütter, die in Rente gehen, dürfen sich in Zukunft freuen, Sie bekommen mehr Rente. Das heißt, ältere Frauen erhalten einen halben Rentenpunkt zusätzlich pro Kind. Das hat unter anderem die große Koalition beschlossen, indem sie sich auf ein Rentenpaket geeinigt hat. Was taugt das überhaupt? Mehr Rente für Frauen, die Kinder erzogen haben. Das klingt jetzt erst mal gut, oder?
Eva Maria Welskop-Deffaa (Vorstand Sozial- und Fachpolitik des Deutschen Caritasverbandes, DCV, in Freiburg): Es klingt nicht nur gut, es ist auch gut und dringend überfällig. Und in diesem Punkt steckt auch die größte Überraschung des Rentenpakets. Vieles war ja im Koalitionsvertrag schon sehr genau verabredet. Just in diesem Punkt hat sich die Regierung dann doch entschieden, es ein bisschen anders zu machen als im Koalitionsvertrag vorgeschlagen. Und sie machen es besser. Von daher freuen wir uns als Caritasverband, dass manchmal doch die Anhörungen und die ganzen Papiere, die wir schreiben, die Sachargumente und die Diskussion gehört werden, und dass dann die Vernunft siegt.
DOMRADIO.DE: Wird denn die erhöhte Mütterrente Altersarmut bei betroffenen Frauen verhindern?
Welskop-Deffaa: Sie wird in Einzelfällen sicher dazu führen, dass Frauen, die bisher Renten unter dem Grundsicherungsniveau erhalten, künftig darüber hinauskommen. Das Wesentlichere scheint mir zu sein, dass die Lebensleistung von Frauen endlich auch dann anerkannt wird, wenn sie vor 1992 erbracht wurde, und dass diese Frage der Generationengerechtigkeit zwischen den älteren und den jüngeren Frauen schrittweise angepackt wird. Wir haben ja schon in der letzten Legislaturperiode dazu ein Paket gehabt. Jetzt gibt es nochmal einen halben Entgeldpunkt. Nach und nach gleichen sich die Anerkennungen für die Kinder, die vor 1992 geboren wurden, den Kindern, die nach 1992 geboren wurden, an.
Mir scheint, dass diese Angleichung wirklich wichtig ist. Denn gerade die Frauen, die ihre Kinder vor 1992 bekommen haben, konnten noch nicht darauf vertrauen, dass sie gut ausgebaute Kindertagesstätten hatten. Sie haben in der Regel wirklich ihre Erwerbstätigkeit deutlich reduzieren müssen und damit auch erhebliche Nachteile in der Alterssicherung in Kauf genommen. Und es fühlt sich einfach richtiger und gerechter an, wenn dieser Unterschied nun abgebaut wird.
Solche Fragen, die auf der Ebene des Gefühls zu liegen scheinen, sind für die Zukunft der Rentenversicherung erheblich wichtig. Ein solches System, das im Umlageverfahren auf die Generationensolidarität setzt, braucht das Vertrauen zwischen den Generationen, dass es auch gerecht zugeht.
DOMRADIO.DE: Gibt es auch Kritik?
Welskop-Deffaa: Es ist kein ganz großer Wurf. Es ist ein kleiner Schritt, aber ein Schritt in die richtige Richtung. Wir sind froh, dass bei den Renten für die Kindererziehungszeiten jetzt eben für alle Väter und Mütter vor 1992 der halbe Entgeltpunkt dazukommt. Das ist aber nicht das ganze Paket. Was uns als Caritas natürlich auch sehr interessiert, ist dieser Übergangsbereich, wo man für Beschäftigte mit niedrigen Einkommen neue Regelungen geschaffen hat.
Einerseits sind die Rentenbeiträge jetzt bis 1.300 Euro reduziert – man muss also nicht den vollen Rentenbeitrag zahlen als Niedrigverdiener. Was aber noch wichtiger ist: Die niedrigeren Beiträge führen nicht zu niedrigeren Renten, sondern es wird der Rentenanspruch am Einkommen bemessen und nicht am abgesenkten Beitrag. Solange diese Veränderung nicht umgesetzt wird, ist der niedrigere Beitrag nur eine Scheinvergünstigung, da man die niedrigeren Beiträge heute mit erhöhten Altersarmutsrisiko morgen erkaufen würde.
Von daher sind wir froh, dass in diesem Übergangsbereich ein wirklicher Paradigmenwechsel vollzogen wurde. Allerdings kritisieren wir, dass das erst ab dem 451. Euro so geregelt ist und nicht schon ab dem ersten Euro. Die Minijobs haben weiterhin eine Sonderregelung. Das hätte man jetzt eigentlich in einem Rutsch mit regeln können.
Vor allem müssen endlich die Selbstständigen in die Rentenversicherung einbezogen werden können. Da entstehen Lücken, die wirklich schnurstracks in die Altersarmut führen, die wir nicht weiter akzeptieren wollen.