Die Frage ist einfach: "Was ist Liebe?" Geht es aber um die Antwort, dürfte wohl jeder ins Straucheln kommen. Der Journalist Nikolaus Nützel wollte es dennoch wissen. Sein Sohn (18) und seine Tochter (15) hatten ihn auf die Idee gebracht. Sie waren es auch, die ihn zuvor schon zu seinem "etwas anderen Buch" über Konfirmation und Firmung angeregt hatten. Nun also sollte es ein Sachbuch über die Liebe werden. Dass er sich auf "dünnes Eis" begibt, war ihm klar, wie Nützel erzählt. Dennoch nahm er die Herausforderung an.
In Münchner Verlag arsEdition, einst bekannt für religiöse Erbauungsliteratur sowie Fleiß- und Heiligenbildchen, fand er einen idealen Partner. Herausgekommen ist ein 144 Seiten starkes Buch, das einen schon von der Optik her mit dem roten Graffiti-Herz als Titel anspricht. So vielfältig wie Liebe sein kann, so bunt erweisen sich die Kapitel. Der Inhalt richtet sich vorwiegend an Teenager, aber auch Ältere dürften Neues erfahren. Denn 44-jährige Eltern oder 74-jährige Rentner wissen nicht alles. Außerdem sei erinnert: Liebe kann den, der sie erlebt, unendlich glücklich machen; wem sie aber fehlt, der kann in abgrundtiefe Verzweiflung sinken.
Liebe ist jedenfalls kein Seelenstriptease
Was also ist denn dann Liebe? "Schrecklich schön, aber auch schön schrecklich", meint die 16-jährige Aline. Manuel (15) fällt nur ein Wort ein: "Scheiße." Musikerin Nena findet in einem Song "so wie du bist", für Martin Luther King ist sie "die einzige Kraft, die einen Feind zum Freund machen kann" und für den heiligen Augustinus "die Schönheit der Seele". Und das soll ein Sachbuch vor allem für Jugendliche werden, auch noch von einem 50-jährigen Autor? Der bemüht sich zum Einstieg, die Einwände gleich selbst zu entkräften. Erstens könne man es ja zumindest versuchen, auch 50-Jährige seien mal 15 gewesen. Vor allem aber verspricht Nützel: "Kein Seelenstriptease."
Dafür hat er eine fiktive Rahmenhandlung gestrickt, die den Leser mitnimmt auf eine Jugendparty mit Folgen. Das Fest verändert viele Leben und Lieben der Gäste. Nach und nach lässt der Autor auf lockere Art sachliche Details einfließen. Dazu gehören Erläuterungen, was chemisch im Körper von Mann und Frau abläuft, wenn die Liebe ins Spiel kommt. Wie Hormone verrücktspielen können, wie der Verstand auf der Strecke bleibt - dafür gibt es sogar wissenschaftliche Erklärungen, die letztlich, wie Evolutionsforscher überzeugt sind, den urzeitlichen Hauptgrund haben: Weitergabe der Gene an die nachfolgende Generation.
Alles nur Symbolik
Einige Zahlen aus der "Dr.-Sommer-Studie 2016" rund um Jugendliche und Sexualität sind genauso aufgeführt wie romantische Rituale und angebliche Liebeszaubertränke und -düfte. Wie viele Bäume haben dran glauben müssen, da in ihre Rinden ein Herz geschnitten wurde?
Inzwischen drohen Brücken unter dem Gewicht von Schlössern zusammenzubrechen, weil damit etwa "Tati und Flipsi" ein Zeichen ewiger Verbundenheit setzen wollten. Überhaupt Symbolik: Dichter und Schlagertexter schreiben sich bis heute zu dem Thema die Finger wund, wie Nützel ausführt. Außerdem verrät er, was "Ich liebe dich" in diversen Sprachen heißt, etwa auf Klingonisch ("qamuSHa").
Trennung geht auch
Liebe heißt aber, wenn man eine feste Bindung eingeht, auch Verantwortung zu übernehmen. Doch die Entscheidung für die eine oder den einen ist nicht in jedem Fall von Dauer gekrönt. Am Ende kann auch die Trennung, gar das Verlassensein stehen; die Ruhe ist dann hin, das Herz ist schwer, wie bei Gretchen in Goethes "Faust". Und was ist mit der Liebe als "Himmelsmacht"?
Ohne Pathos und ohne sich darüber lustig zu machen, greift der Autor die Entscheidung eines jungen Mannes auf, katholischer Priester werden zu wollen. Die Figur ist erfunden, doch den Jesuiten Holger Adler gibt es wirklich. Der Münchner Studentenpfarrer erzählt offen, dass es nicht immer leicht ist, zölibatär zu leben und allein auf die Liebe Gottes zu setzen. Dennoch ist Liebe für ihn: "Die Sache, die das Leben lebenswert macht." Irgendwann kommt man dann mit Worten nicht weiter, denn letztlich ist es einfach Gefühl.