Doch auch zu seinem 150. Jubiläum hat sich der Aufruf des ZdK an die Gläubigen nicht geändert, meint Präsident Thomas Sternberg.
DOMRADIO.DE: Glückwunsch zum Jubiläum, Herr Professor Sternberg. Sie sind Deutschlands wichtigstes Laiengremium in der Kirche und Sie organisieren den Katholikentag. Aber wir wissen, das Interesse an der Kirche schwindet, immer mehr Menschen treten aus. Wie reagieren Sie darauf?
Thomas Sternberg (Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken): Man darf es nicht dramatisieren. Der Rückgang der Mitgliederzahlen der katholischen Kirche geht immer noch stärker von dem negativen Saldo zwischen Taufen und Beerdigungen aus. Das ist das schwierigere Problem, das wir haben. Aber es ist richtig, dass wir weniger werden und das heißt natürlich auch, dass Kirche heute anders auftreten muss als noch vor 30, 40 Jahren. Man kann nicht mehr sagen, wir sind automatisch die Mehrheit und das will die Kirche. Stattdessen müssen wir uns in einen Diskussionsprozess einklinken, wo das bessere Argument wiegt und trägt. Und wir müssen uns damit abfinden, dass es durchaus sehr scharfe kirchenfeindliche Töne gibt.
DOMRADIO.DE: Die Themen Chemnitz und Köthen, Sachsen und Sachsen-Anhalt bestimmen unsere Nachrichten. Inwieweit sollen sich Katholiken hier einbringen?
Sternberg: Ich glaube, dass für katholische Christen eines völlig eindeutig ist: Menschenwürde unterscheidet sich nicht nach Deutschen oder Nichtdeutschen, Fremden oder Eigenen. Menschenwürde bezieht sich auf alle. Das ist urchristlichstes Gedankengut und das ist christliche Grundsubstanz.
Ich glaube, das haben alle katholischen Männer und Frauen gemeinsam. Sie können unterschiedliche Meinungen zur Flüchtlingspolitik haben. Trotzdem sind sich alle im Klaren darüber, dass es hier um eine humanitäre Frage geht. Hier geht es um Menschen, um jedes einzelne Menschenschicksal und jedes Schicksal ist einzeln zu bewerten. Dass wir in einer Gesellschaft leben, in der allen Ernstes das Absaufen von Menschen im Mittelmeer einfach so hingenommen wird und sogar gesagt wird, das solle ruhig eine Abschreckung sein, ist ein ungeheuerlicher Vorgang. Das hätte man sich vor ein paar Jahren nicht vorstellen können.
DOMRADIO.DE: Jetzt hat die demokratisch gewählte Alternative für Deutschland Zulauf und Sie haben gesagt, es gebe in der Partei Parallelen zum Nationalsozialismus. Vergleiche mit dem NS-Regime bekommen immer besonderes Augenmerk. Waren das im Rückblick zu harte Worte?
Sternberg: Ich habe das aufgrund eines Interviews gesagt, das der AfD-Vorsitzende Alexander Gauland in der letzten Woche der Frankfurter Allgemeinen Zeitung gegeben hat. Darin hat er davon gesprochen, dass die AfD der Pfahl im Fleisch eines überwindenden Systems sei. Das ist original NSDAP-Spreche. Da kann ich nichts anderes sagen.
Außerdem gibt es seit einigen Jahren eine immer weitere Annäherung an die rechtsradikalen Gruppen. Noch vor ein paar Wochen war nur die Rede davon, dass man mit der Pegida zusammenarbeiten könnte. Dann wurde in Chemnitz mit Pegida zusammen demonstriert und zusammen aufgetreten. Es werden die Grenzen des Möglichen und des Sagbaren immer weiter hinausgeschoben. Und ich habe die große Befürchtung, dass die gesamte Gesellschaft einen Rechtsdrall bekommen könnte, eine Veränderung, wie sie auch in den Niederlanden nach den Auftritten von Geert Wilders vor ein paar Jahren passiert ist.
DOMRADIO.DE: Sie feiern heute in Bamberg das 150-jährige Jubiläum des Zentralkomitees der deutschen Katholiken. Was ist für heute geplant?
Sternberg: Es gibt einen Festakt in einer übrigens profanierten Kirche in Bamberg, die heute die Aula der Universität ist – ein sehr schöner Raum. Ich hoffe, das ist kein Menetekel, dass wir in einer profanierten Kirche feiern. Aber wir werden uns da an die Gründung vor 150 Jahren erinnern, als übrigens genau die gleichen politischen Fragen in der Weltpolitik und in der Kirche auf dem Programm der Debatten der damaligen Generalversammlung standen.
Ich glaube, auch wenn sich das Zentralkomitee erheblich verändert hat, auch wenn wir seit 1976 die Räte und die Ratsstrukturen mit dabei haben, wir also auch ein Zentralrat sind, wenn man so will, sind die Aufgaben die gleichen geblieben. Wir sind als gläubige Männer und Frauen aufgefordert, zu gesellschaftlichen und politischen Fragen in Kirche und Welt Stellung zu beziehen.
Das Interview führte Tobias Fricke.