Mit dem Aufruf vor den Leiden der Betroffenen sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche nicht wegzuschauen, hat der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, an diesem Sonntag einen Gottesdienst in Schönstatt gefeiert.
Vor mehreren hundert Gläubigen sagte Kardinal Marx: "Die Kirche geht durch Höhen und Tiefen. Gerade in diesen Tagen denken wir an die dunklen Seiten dessen, was in der Kirche geschehen ist und geschieht. Tief bedrückt, erschüttert und beschämt sind wir von der Realität sexuellen Missbrauchs Minderjähriger in der katholischen Kirche."
Offene Wunden des Missbrauchs
Seit 2002, dann besonders ab 2010 und jetzt wieder, spüre die Kirche, dass die tiefe Wunde des Missbrauchs nicht verheile. "Wir stehen an der Seite der Betroffenen sexuellen Missbrauchs. Das ist unsere bleibende Verpflichtung. Es ist noch immer erschütternd, was Kindern und Jugendlichen, die sich Priestern anvertraut haben, durch dieses unvorstellbare Leid widerfahren ist", so Kardinal Marx.
Weiter sagte Kardinal Marx in seiner Predigt: "In den Betroffenen schaut Gott uns an, er leidet wie die Opfer unter dem was Priester – Männer die Gott folgen wollten – Minderjährigen angetan haben. Gott leidet an dem, was wir übersehen, wo wir weggeschaut haben, was wir nicht wahrhaben wollten. Er schaut uns an in den Betroffenen, den Geschlagenen, den Verwundeten. Deshalb braucht es einen neuen Aufbruch in dieser Kirche, gegenüber den Betroffenen und Gott."
Bischofskonferenz berät über Konsequenzen
Die bereits in Teilen vorab veröffentlichte Studie der Deutschen Bischofskonferenz trage dazu bei, den Blick noch einmal zu schärfen. "Wir werden darüber in der Vollversammlung der Bischofskonferenz in Fulda sprechen und uns fragen, was daraus folgt", sagte Kardinal Marx.
Deshalb sei dieser Gottesdienst in Schönstatt in besonderer Weise unter das Erbarmen Gottes gestellt. "Dieses Erbarmen brauchen wir, um das Geschenk des Glaubens zu erneuern. Wir brauchen das Erbarmen auch für die Wahrheit dessen, was inmitten unserer Gemeinschaft geschieht – durch mangelnde Aufmerksamkeit, fehlende Sensibilität, durch das Fehlen von Liebe. Deshalb bittet die Kirche um das Erbarmen Gottes für die Kirche und alle Menschen", so Kardinal Marx.
Gottesdienst zu Ehren Pater Kentenichs
In dem Gottesdienst erinnerte Kardinal Marx an den 50. Todestag des Gründers von Schönstatt, Pater Josef Kentenich. Der Geistliche sei wach für seine Zeit gewesen und habe Ausschau nach dem Neuen gehalten. "Das muss auch unser Auftrag heute sein, die Zeichen der Zeit zu erkennen und den Blick auf das Neue zu wagen."
Schönstatt mit seiner Gnadenkapelle sei ein Ort, der inspiriere und ermutige, an dem man hören könne, was der Geist zu sagen habe. "Wir sind hineingenommen in die Gemeinschaft der Kirche, wie es Papst Franziskus betont, als ein Volk, als eine Gemeinde. Der Geist ist immer am Werk, wir müssen nur aufmerksam sein für ihn und hören auf das, was er uns in dieser Zeit sagt. Dazu brauchen wir Mut, neue Wege zu gehen", so Kardinal Marx.
Aufmerksamkeit und Wachsamkeit
"Was will Gott uns in dieser Zeit sagen, welchen Auftrag hat er für uns? Das können wir uns nicht ausdenken, sondern brauchen Aufmerksamkeit und Wachsamkeit, gerade um das zu erkennen, was passiert, auch das Negative. Wir dürfen nicht wegschauen", rief Kardinal Marx den Gläubigen zu. Das gelte auch für die Verantwortlichen in der Kirche.
Aufbruch habe immer etwas mit Bruch zu tun, "es ist kein gemütliches Weitergehen, sondern die Frage nach dem, wie wir in der Kirche Neues denken können, ohne die Vergangenheit, die Tradition, den Weg der Kirche zu vergessen. Halten wir Ausschau nach dem, was jetzt dran ist, was wir tun können, was wir wagen dürfen, ja auch riskieren können", so Kardinal Marx.
Dank an Schönstatt-Bewegung
Pater Kentenich habe so etwas riskiert im Leben. "Ich empfinde die Gnadenkapelle immer wieder als Quelle der Ermutigung und der Kraft. Der Schönstatt-Bewegung sage ich Dank für den Dienst des Gebetes, des Aufbruchs und der geistigen Erneuerung in der Kirche, die durch die Gründergestalt Pater Kentenichs ihren Weg genommen hat", so Kardinal Marx.