Der Kölner Generalvikar Msgr. Markus Hofmann teilte am Dienstag mit, gemäß der von den Forschern vorgegebenen Kriterien seien 2.155 Personalakten von Diözesanpriestern, Diakonen und Ordenspriestern durchgesehen worden. Das Erzbistum Köln hat 87 Personen an die Forscher gemeldet, die seit 1946 der sexualisierten Gewalt in insgesamt 119 Fällen beschuldigt wurden. Die Zahl der gemeldeten Beschuldigten entspricht 4 Prozent der durchgesehenen Akten.
Von den 87 Beschuldigten sind 40 bereits verstorben, 33 lebten bereits bei Eingang der Meldung nicht mehr. Bei den 54 Personen, die bei Eingang der Meldung noch lebten, hat es in 21 Fällen Maßnahmen oder Sanktionen gegeben. Diese reichten von der Früh-pensionierung über das Verbot der Ausübung des priesterlichen Dienstes bis hin zum Ausschluss aus dem Klerikerstand. Darüber hinaus wurde den Beschuldigten die Verpflichtung auferlegt, sich an den Kosten für Therapien zu beteiligen oder eine andere finanzielle Beteiligung zu leisten.
Anerkennungsleistungen an 100 Betroffene
In den 33 Fällen, bei denen es zu keinen Maßnahmen oder Sanktionen kam, haben die damaligen Untersuchungen in 2 Fällen die Unschuld des Beschuldigten erwiesen. In 27 Fällen ergab sich kein konkreter Tatnachweis. 4 Meldungen erfolgten anonym, sodass eine abschließende Klärung nicht möglich war.
Entsprechend der Verfahrensrichtlinie der Deutschen Bischofskonferenz hat das Erzbistum Köln seit 2011 an 100 Betroffene von sexualisierter Gewalt, die einen Antrag gestellt haben, Anerkennungsleistungen von insgesamt 620.635,- Euro ausgezahlt. Therapiekosten wurden für 22 Personen in Höhe von rund 150.804,- Euro übernommen (jeweils Stand 31.05.2018).
Generalvikar tief betroffen
Generalvikar Dr. Markus Hofmann zeigte sich von den Untersuchungsergebnissen tief betroffen: "Die Zahlen sind erschütternd. Wir werden in Köln alle gemeldeten Fälle erneut überprüfen, um herauszufinden, an welchen Stellen wir als Erzbistum falsch gehandelt haben. Außerdem werden wir an den umfangreichen Präventionsmaßnahmen festhalten und diese noch weiterentwickeln." Der Generalvikar betonte weiter, jeglicher sexueller Missbrauch sei schlimm, Missbrauch durch Geistliche aber noch schlimmer.
Der Kölner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki hatte schon am vergangenen Wochenende eine eigene Untersuchung durch eine externe Einrichtung angekündigt. Diese solle Versäumnisse der Vergangenheit unabhängig, umfassend und schonungslos aufarbeiten. Außerdem kündigte Kardinal Woelki an, einen eigenen Betroffenenbeirat zu gründen und sich zudem mit Betroffenen persönlich treffen zu wollen.
Umgang mit gemeldeten Vorfällen deutlich verbessert
An der Pressekonferenz in Köln nahmen neben Generalvikar Dr. Markus Hofmann auch die Präventionsbeauftragte des Erzbistums, Manuela Röttgen, der Interventionsbeauftragte des Erzbistums, Oliver Vogt, und Pfarrer Christian Ott, Dozent für Pastoralpsychologie am Kölner Priesterseminar, teil. Sie informierten über die vielfältigen Maßnahmen, die das Erzbistum seit 2010 zur Vermeidung von sexueller Gewalt ergriffen hat.
Dazu erklärte Oliver Vogt, der Interventionsbeauftragte des Erzbistums: "Seit dem Jahr 2010 hat sich der Umgang mit gemeldeten Vorfällen deutlich verbessert. So ist die Einschaltung der Staatsanwaltschaft in allen Vorfällen seitdem obligatorisch. Mit der Einrichtung einer eigenen Stabsstelle Intervention im Erzbistum Köln wurden außerdem klar festgelegte und standardisierte Abläufe etabliert."
"Beschuldigte" nicht gleich "Schuldige"
Für die nationale MHG-Missbrauchsstudie wurden von der Deutschen Bischofskonferenz im Jahr 2014 nach einer offenen Ausschreibung drei externe Institute aus Mannheim, Heidelberg und Gießen mit der Aufarbeitung von Fällen sexueller Gewalt in der Kirche im Zeitraum zwischen 1946 und 2015 beauftragt.
Die Studie hat alle Meldungen zu Vorfällen von sexualisierter Gewalt erfasst. Die erhobenen Beschuldigungen umfassen sowohl strafrechtlich relevante Vorwürfe (etwa schweren sexuellen Missbrauch) als auch Grenzüberschreitungen oder Grenzverletzungen unterhalb der Strafbarkeitsgrenze (etwa unangemessene Berührungen oder unangemessenen Schriftverkehr).
Für die Erhebung war es nicht von Bedeutung, ob es sich um eine nachgewiesene Tat mit einem verurteilten Täter handelte oder um eine Beschuldigung, die nicht endgültig geklärt werden konnte (Aussage gegen Aussage). Ebenfalls erfasst wurden Verfahren, welche mit einem Freispruch (wegen erwiesener Falschbeschuldigung) endeten. Aus diesem Grund spricht die Studie generell von "Beschuldigten".