DOMRADIO.DE: Sie haben am Freitag im Hohen Dom zu Köln das traditionelle FrauenWort der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) gepredigt. Und zwar im Rahmen der Kölner Domwallfahrt 2018. Deren Motto lautet: "Dona nobis pacem – Gib uns Frieden". Wie sehr ist der Frieden zurzeit in Gefahr?
Annette Schavan (Theologin und ehem. deutsche Botschafterin im Vatikan): Frieden und Friedlosigkeit haben viele Gesichter und schon der Prophet Jesaja wusste, dass der Friede nicht vom Himmel fällt. Das war zu allen Zeiten so. Menschen haben sich zwar zu allen Zeiten darum bemüht. Die Europäische Union ist so eine Bemühung, Frieden in Europa für eine lange Zeit zu schaffen. Aber wer in die Welt schaut, weiß, wie viel Friedlosigkeit an so vielen Orten da ist. Deshalb beten Christen immer wieder auch für den Frieden. Sie bemühen sich in ihrem Handeln und sie beten.
DOMRADIO.DE: Was haben das Christentum und die Kirche denn zum Thema Frieden zu sagen? Ist das nicht ein Feld, das man vielleicht doch den Politikern überlassen sollte?
Schavan: Wenn es um unsere Bemühungen um den Frieden geht, gibt es immer ein Fundament. Das ist auch ein spirituelles Fundament. Das hat mit Haltung, mit Werten zu tun. Da ist wichtig, dass das Christentum seinen Friedenspotenzial und seine Möglichkeiten einbringt, die im Laufe der 2000-jährigen Geschichte der Christen eben Frieden geschaffen haben. Denken wir an die großen Ordensgründer, an deren Bemühungen. Denken wir daran, wie die Benediktiner Europa kultiviert haben. Und kultivieren heißt ja auch, immer dazu beizutragen, dass Frieden gefunden wird. Deshalb gilt heute mehr denn je: Unsere Friedlosigkeit beginnt bei der Sprache, die spaltet. Christen können eine ganz andere Sprache einbringen. Eine, die zusammenführt, die mit Respekt verbunden ist und die Werk der Gerechtigkeit ist.
DOMRADIO.DE: Ein Problem, das vielen Menschen Sorgen macht, ist der zunehmende Nationalismus. In Deutschland steht dafür die AfD. In anderen Ländern ist es ähnlich. Wie können wir diesem Nationalismus als Christen begegnen?
Schavan: Christen - und Katholiken ganz besonders - teilen die Welt ja nicht in Nationen auf. Sie sind auf allen fünf Kontinenten. Sie kennen diesen Prozess der Inkulturation, also der Begegnung des Christentums mit einer Kultur. Sie wissen, dass das anstrengend ist, dass da übersetzt werden muss, dass es da auch Verunsicherung gibt, dass da auch manches nicht richtig läuft. Aber sie haben diese Erfahrung und gerade jetzt, speziell wenn ich auf Europa schaue, ist es eine große Aufgabe für die Christen deutlich zu machen: Wir müssen keine Angst vor der globalen Welt haben. Wir müssen unsere Angst vor der Heimatlosigkeit abbauen, vor Veränderung. Und Christen haben damit Erfahrung. Sie fühlen sich jenseits der nationalen Grenzen in allen Kulturen wohl.
DOMRADIO.DE: In der katholischen Kirche predigen ja sonst fast nur Männer. Sie haben am Freitag im Rahmen der Domwallfahrt im Hohen Dom zu Köln gepredigt. Sollten nicht häufiger Frauen predigen?
Schavan: Aber gewiss. Denn die Charismen, die es in der Kirche gibt, die Sprachen, die es in der Kirche und in der Christenheit gibt, die sollten auch in unseren Domen von Frauen und Männern gesprochen werden können.
DOMRADIO.DE: Im Zuge der erneuten Debatte um Missbrauch wird immer mehr gefordert, dass Frauen in der Kirche mehr Bedeutung bekommen. Frauen gehören ja zu den Laien. Allein das Wort hat ja ein bisschen etwas Abwertendes. Muss sich da was tun?
Schavan: Der Papst hat ja einen Brief an alle Gläubigen geschrieben. Da spricht er vom Machtmissbrauch in der Kirche, der zum Klerikalismus gehöre. Da ist also nicht die Rede von Katholiken nur in Deutschland, so hat es der Papst geschrieben. Das ist finde ich ein wichtiger Punkt, dass schon dieses Wort 'Laie' eigentlich aus unserem Vokabular verschwinden muss. Denn es wird verbunden mit mangelndem Sachverstand. Einen Laien nennen wir denjenigen, der nichts von den Dingen versteht. Das ist eine kleine Geschichte. Aber es ist eine, die zu dem ganzen Prozess gehört, der jetzt in der Kirche ansteht.
DOMRADIO.DE: Welche Bedeutung sollten aus Ihrer Sicht die Frauen in der Kirche erhalten?
Schavan: Die Frauen sollten in dieser Kirche ebenso gestalten können, wie es die Männer können. Das muss man nicht unbedingt in bisherigen Amtsstrukturen denken. Aber nehmen Sie nur die Ordensfrauen, die große Äbtissinnen, deren Rolle muss in der Kirche als erstes gestärkt werden.
Das Interview führte Dagmar Peters.