Rekordstart für Kinofilm "Kleriker" in Polen

Das Thema Missbrauch trifft einen Nerv

Fast eine Million Zuschauer in Polen haben am ersten Wochenende den Film "Kleriker" gesehen. Das umstrittene Werk löst im Nachbarland eine Debatte über die Kirche und ihren Einfluss aus.

Autor/in:
Oliver Hinz
 (DR)

Schon an den ersten drei Tagen haben in Polen 935.357 Menschen den Kinofilm "Kleriker" (polnisch: Kler) gesehen. Ein Zuschauerrekord. Kein anderer Film lockte in den vergangenen 30 Jahren so viele Polen ins Kino.

Die fiktive Handlung dreht sich um drei befreundete katholische Priester. Einer misshandelt Kinder sexuell; ein anderer führt eine Liebesbeziehung zu einer Frau. Hinzu kommt ein im Luxus lebender Bischof, der eng mit der Regierungspartei verbunden ist und Einfluss auf die große Politik nimmt.

"Ernster und schmerzhafter Film"

Der Skandalfilm könne zu einem der größten Publikumserfolge der polnischen Kinogeschichte werden, schreibt die Warschauer Zeitung "Rzeczpospolita" (Dienstag). "Klerus" sei keine romantische Komödie, sondern ein "ernster und schmerzhafter Film über die polnische Wirklichkeit, die bereits ein wesentliches Phänomen der Gesellschaft geworden ist", so das liberal-konservative Blatt.

Der regierungsnahe Online-Dienst "wPolityce.pl" protestierte dagegen. Der Film erinnere "viele Beobachter an die Propaganda der Nazis gegen die Juden". Denn er hetze gegen eine ganze Bevölkerungsgruppe: die Geistlichen. Er sei der "Beweis für eine Verrohung eines Teils des kulturellen Milieus sowie für den barbarischen Hass eines Teils des medialen Establishments".

Der bekannte Regisseur Wojtek Smarzowski (55) gewann mit dem Film bereits den Publikumspreis beim landesweit wichtigsten Filmfestival in der Ostseestadt Gdynia (Gdingen). Wie angespannt die Stimmung ist, zeigte der staatliche Sender TVP Kultura. Er zensierte die zeitlich verzögerte Übertragung der Preisverleihung an Smarzowski, weil dieser in seiner Ansprache über den TVP-Intendanten Jacek Kurski scherzte.

Kurski hatte die TVP-Programme auf Linie der nationalkonservativen Regierungspartei PiS gebracht - die wiederum sehr gute Kontakte zur Kirche unterhält.

Kirche reagiert ruhig

Die Kirche reagierte ruhiger auf den umstrittenen Film als die Regierungspartei. Sie schweigt fast. Einen offiziellen Kommentar zu "Klerus" wollte Polens Bischofskonferenz bislang nicht abgeben.

Manche Bischöfe sagten, dass sie den Film gar nicht anschauen werden. Auch Journalisten katholischer Medien erklärten, dass sie ihn nicht sehen wollen. Einige Kinos boykottieren ihn sogar - offiziell aus Rücksicht auf die Kirche und die Gläubigen.

Polens Bischöfe betonen schon lange, dass sie keinerlei sexuelle Übergriffe duldeten. Wie ihre Amtsbrüder in anderen Ländern erarbeiteten sie auch Leitlinien zur Prävention. Diese seien "viel restriktiver als das geltende polnische Recht", so der Kinderschutzbeauftragte der Bischofskonferenz, Pater Adam Zak. Der Schutz von Minderjährigen sei eine der "vorrangigsten Tätigkeiten der Kirche". Er verweist auf das 2013 eröffnete katholische Kinderschutzzentrum, das bereits mehr als 2.000 Menschen geschult habe. "Null Toleranz für Pädophilie - das ist die Haltung der gesamten Kirche in Polen, sowohl der Geistlichen als auch der katholischen Laien", so Zak.

Polen will Missbrauchszahlen im November veröffentlichen

Die Kirche könne allerdings durchaus noch mehr tun, meint etwa die liberale katholische Zeitschrift "Tygodnik Powszechny". Fast die Hälfte der Bistümer nenne auf ihren Internetseiten nicht die Telefonnummer ihres zuständigen Beauftragten, an den sich Missbrauchsopfer und ihre Angehörigen wenden sollen. Das hindere Opfer daran, sich zu melden, kritisiert das Blatt.

Im November will die Bischofskonferenz landesweite Zahlen zum Ausmaß von Kindesmissbrauch durch Kirchenvertreter veröffentlichen. Einen so umfangreichen Untersuchungsbericht wie in Deutschland wird es in Polen jedoch vorerst nicht geben. Ein weiterer Unterschied zu Deutschland: Polens Bischöfe lehnen bislang Schadenersatzzahlungen an Missbrauchsopfer ab, die über eine Übernahme von Therapiekosten hinausgehen.


Quelle:
KNA