DOMRADIO.DE: Wie ist es um die Ernte in diesem Jahr bestellt?
Ulrich Oskamp (Diözesanreferent Katholische Landvolk Bewegung - Bistum Münster): Sehr durchwachsen. Wir haben wegen der wirklich lang anhaltenden Trockenheit – in diesem Jahr darf man sogar von Dürre sprechen – ziemlich große Ernteausfälle. Nicht so sehr beim Getreide, aber sehr viel in Futterbaubetrieben und im Gemüseanbau. Von den Waldbauern höre ich sogar, dass sie von dramatischen Einbrüchen sprechen.
DOMRADIO.DE: Wer ist am stärksten betroffen?
Oskamp: Da muss man einfach mal auf die Einkommen der deutschen Bauern schauen. Wir haben besonders in Westdeutschland nur eine kleinstrukturierte Landwirtschaft, da leben die meisten Landwirte von der Tierhaltung. In diesem Jahr haben, glaube ich, die deutschen Ferkelerzeuger oder die Schweinehalter im Allgemeinen die größten Sorgen. Mittlerweile ist die afrikanische Schweinepest an den deutschen Grenzen angekommen. Wir erleben schon, dass Schweinemäster nicht mehr aufstellen, dass die Ferkelpreise extrem gesunken sind. Die Angst, dass da ein ganzer Markt zusammenbricht, ist groß.
Im Rahmen einer aktuellen Umfrage unter Ferkelerzeugern, aufgrund dieser Situation und der anhaltenden Tierwohldiskussion, wurde deutlich, dass 50 Prozent der deutschen Sauhalter in den nächsten fünf-zehn Jahren aufgeben werden. Das finde ich sehr besorgniserregend. Das betrifft nicht nur die eine Bauernfamilie, sondern ganze ländliche Räume, in denen Landwirtschaft aufhört.
DOMRADIO.DE: Ist das in diesem Jahr ganz besonders oder gab es ähnliche Effekte auch schon in den vergangenen Jahren?
Oskamp: Mein Großvater hat erzählt, dass es im Jahr 1958/59 schon einmal so einen trockenen Sommer gegeben hat, aber ich habe in meinem Leben so eine extreme Dürre noch nicht erlebt.
DOMRADIO.DE: Wenn man heute von einem Bauernhof spricht, ist das schon eine hochtechnisierte Branche. Wie abhängig ist denn ein heutiger Landwirt noch von Dingen, die er nicht kontrollieren kann?
Oskamp: Es ist nicht nur eine hochtechnisierte, sondern auch eine hochspezialisierte Landwirtschaft. Die Abhängigkeit ist besonders für die Futterbaubetriebe sehr groß, die ihr Futter für ihre Tiere nicht hunderte Kilometer weit heranschaffen können wie etwa Getreideanbau-Betriebe, die schon mal aus anderen Regionen Futter holen können. Futterbaubetriebe haben es in diesem Jahr aber sehr hart getroffen und ich glaube, die Gemüsebaubetriebe noch mehr.
DOMRADIO.DE: Wie merkt man das im Alltag der Bauern?
Oskamp: Da kann ich am besten von meinem eigenen Betrieb sprechen: Wir haben 50 Prozent Ertragsausfall, weil wir ein reiner Grünlandbetrieb sind. Wir mussten auf zwei Schnitte verzichten. Ich hatte schon Mühe, Futter von Nachbarbetrieben zuzukaufen. Aber das sind natürlich alles nicht eingeplante Kosten.
DOMRADIO.DE: Sehen Sie sich als Betroffener als Endstück des Klimawandels?
Oskamp: Wir Landwirte hier in Deutschland sehen eine positive und eine negative Seite. Auf der einen Seite haben wir durch eine wachsende Vegetationsperiode, vier zusätzliche Wochen im Frühjahr und etwa sechs Wochen im Herbst, durchaus mehr Möglichkeiten, Früchte wachsen zu lassen – manchmal sogar die Chance auf eine zweite Ernte. Aber auf der anderen Seite werden die extremen Wetterereignisse immer größer und das merken wir jetzt sehr stark. Die Planbarkeit, wie ich sie in den letzten 20 bis 30 Jahren hatte, wird immer geringer.
DOMRADIO.DE: Richten wir einen Blick in die Ferne. Sie engagieren sich auch mit der Katholischen Landvolk Bewegung für Gebiete in Afrika. Wie sieht Ihre Unterstützung dort aus?
Oskamp: Wir haben ein Projekt in Uganda. Dort begleiten wir seit drei Jahren Bauernfamilien in verschiedenen Dörfern, um ihnen ein bisschen auf die Beine zu helfen und eine organisierte Landwirtschaft betreiben zu können. Ich durfte vor zwei Jahren selbst eines dieser Projekte besuchen und dort ist mir der Klimawandel sehr bewusst geworden, weil die Trockenzeiten immer größer werden. Hatten wir in den 60er und 70er Jahren noch pro Dekade vielleicht eine Trockenheit, so waren es in den 90er Jahren schon drei. In den letzten zehn Jahren gab es sieben Jahre, in denen die Trockenperioden länger als die Regenperioden waren. Diese Auswirkungen sieht man in Uganda sehr deutlich.
Die extensiven Grünlandstandorte weiten sich immer weiter aus und die Flächen, auf denen eigentlich Ackerbau betrieben werden könnte, werden geringer. Das ist schon eine extreme Situation. Bei der Bauernfamilie, bei der ich drei Tage leben durfte, lief dreihundert Meter von ihnen entfernt der öffentliche Brunnen trocken. Das hatte zur Folge, dass man drei Kilometer weiter laufen musste, um sich das Wasser zu holen. Dieser Umstand ist existenziell, nicht nur für die Landwirtschaft, sondern auch für die Familien. Die Kinder gehen nicht mehr zur Schule, weil sie mithelfen müssen, Wasser zu holen. Die Auswirkungen des Klimawandels dort vor Ort sind viel größer als bei uns.
DOMRADIO.DE: Schaut man dann anders auf die eigenen Herausforderungen?
Oskamp: Man wird auf jeden Fall demütiger, weil es dort tatsächlich existenzielle Fragen sind. Die großen Familien müssen von ein bis zwei Hektar Land leben, während wir mit unseren Anpassungsstrategien im Verhältnis schon eher ein Luxusproblem haben.
DOMRADIO.DE: Glauben Sie, dass wir auch einen anderen Blick, ein anderes Bewusstsein für Landwirtschaft brauchen?
Oskamp: In unserer Gesellschaft brauchen wir das auf jeden Fall. Ich denke auch, dass wir in der gesellschaftlichen Diskussion auf einem guten Weg sind. Wenn wir uns gemeinsam vergegenwärtigen, wie wertvoll Lebensmittel tatsächlich sind und wir als Landwirte und auch als Katholische Landvolk Bewegung versuchen, diese Themen immer wieder anzustoßen und gemeinsam zu begleiten, damit wir mit unseren knappen Ressourcen wirklich sorgfältiger umgehen.
DOMRADIO.DE: Gibt es da einen goldenen Weg, einen wirtschaftlich-, ökologisch- und ethisch gangbaren Zukunftsweg auch für die Landwirtschaft in Deutschland?
Oskamp: Kostenlos wird es ihn nicht geben. Wir müssen irgendwo einen Mittelweg finden. Das heißt, ohne Preissteigerungen bei Nahrungsmitteln wird es nicht gehen. Aber ich glaube, dass auch höhere Preise das Bewusstsein des Verbrauchers durchaus stärken. Wenn man dann sorgfältiger mit Nahrung umgeht und bewusster einkauft, ist es unterm Strich nicht teurer. Deswegen werden wir diesen Mittelweg finden.
Das Gespräch führte Christoph Paul Hartmann.