DOMRADIO.DE: "In der Kirche gibt es viele alte Hüte, die nicht auf junge Köpfe passen" – sagen Sie in Ihrem im August erschienen Buch mit dem Titel: "Kickt die Kirche aus dem Koma". Zwischen der Kirche und der Jugend, so scheint es, herrscht oft Sprachlosigkeit. Die Kirche versteht die Jungen nicht – und umgekehrt. Die Jugendsynode, die seit letzter Woche in Rom tagt, soll da Abhilfe bringen. In Ihren Augen eine gute Sache?
Jacqueline Straub (Theologin und Journalistin): Ich glaube, dass die Jugendsynode durchaus eine gute Sache ist. Ich glaube, es ist bitter notwendig, dass heute auch wirklich die Jugend mehr und mehr in den Blick genommen wird. Vor allem aufgrund der Tatsache, dass immer weniger Leute - vor allem weniger Jugendliche - in die Kirche gehen und sich auch für den Glauben interessieren. Ich glaube, da können durchaus positive Signale von Rom ausgesendet werden.
DOMRADIO.DE: Jetzt ist es so, dass in Rom im Moment 350 Bischöfe und 40 junge Leute zusammensitzen. Ist das allein schon ein falsches Signal? Der Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) hatte sich ja zum Beispiel eine Fifty-fifty-Besetzung gewünscht.
Straub: Ich würde mir auch wünschen, dass mehr Jugendliche, junge Menschen oder auch Laien dort eine Stimme hätten. Was ich natürlich auch fragwürdig finde, ist, dass nur die Bischöfe abstimmen dürfen. Im Endeffekt bestimmen doch wieder zölibatär lebende alte Männer, wie die Jugend zu leben und zu glauben hat. Da würde ich mir wirklich mehr wünschen, dass die junge Stimme noch mehr gehört wird und nicht nur nach dem Motto gehandelt wird: Pseudo-mäßig laden wir ein paar Leute ein. Da müsste noch viel mehr gemacht werden.
DOMRADIO.DE: Kommen wir nochmal auf das Problem der Sprache zurück. Warum ist das eigentlich so entscheidend und was könnte helfen, dass da mehr und bessere Kommunikation möglich wird?
Straub: Die Sprache ist sehr wichtig. Und die Sprache der Jugend ist eine andere Sprache als die der katholischen Kirche. Das merke ich immer wieder im Gespräch mit jungen Menschen. Die sagen: Ich habe eine Spiritualität. Ich glaube an Gott. Ich lese auch ab und zu in der Bibel. Aber wenn ich in die Kirche gehe, dann verstehe ich nichts. Die ganzen Texte, die ganzen Lieder sind alle altbacken. Auch die Predigt kommt bei mir nicht an.
Das heißt, die Sprache muss an die Jugend angepasst werden, damit junge Menschen wieder Freude für den Glauben entwickeln und dafür, sich wieder in der Kirche zu engagieren und vielleicht mal wieder in den Gottesdienst zu gehen.
DOMRADIO.DE: Aber wie soll das funktionieren? Soll jetzt die Kirche die Sprache der jungen Menschen lernen oder sollen vielleicht junge Leute auch entscheidende Positionen besetzen und dann von da aus selber sprechen?
Straub: Definitiv beides. Wir brauchen junge Leute in wichtigen Positionen, die natürlich auch in der Lebenswelt von den jungen Leuten sind und sie auch verstehen. Aber auf der anderen Seite muss auch die Kirche viel mehr auf die Jugend hören und schauen: Welche Sprachen müssen wir als Kirche - wir als Bischöfe - sprechen, damit auch unsere Botschaft ankommt.
Vielleicht brauchen wir auch mehr Jugendprojekte. In vielen Städten gibt es die Jugendkirchen, wo wirklich in der Sprache der Jugend gesprochen wird. Aber ich glaube, es braucht noch viel, viel mehr solcher Projekte, damit Jugendliche sich auch in der Kirche wohlfühlen und damit sie eben nicht immer das Gefühl haben müssen: Das hier ist nur ein Verein für die alten Menschen. Damit sie, wenn sie zum Beispiel sonntags in die Kirche gehen, merken: Auch ich werde angesprochen von dem, was der Mann oder vielleicht auch die Frau da vorne sagt.
DOMRADIO.DE: Sie selbst sind ja auch bekannt dafür, dass Sie immer wieder öffentlich laut gesagt haben: Ich fühle mich zur Priesterin berufen und ich bin ziemlich enttäuscht über meine Kirche, die mir dieses Weiheamt verweigert. Verschreckt die katholische Kirche in ihren Augen mit ihrer "Frauenpolitik" Mädchen und junge Frauen nachhaltig?
Straub: Ich höre immer wieder von jungen Frauen und Mädchen, die mir Briefe schreiben oder auch E-Mails, dass sie auch gern Priesterin werden wollen, dass sie sich auch gern in der Kirche als Frau besser wiederfinden wollen, dass sie aber ganz große Probleme mit diesem Bild haben, das die Kirche hat. Das heißt, viele Frauen wenden sich ab, weil sie sagen: Ich lebe in einer emanzipierten Gesellschaft und möchte mich genau so auch in der Kirche wiederfinden. Können sie aber nicht, weil sie sagen: Ich fühle mich diskriminiert.
Und sie wenden sich dann von der Kirche ab, obwohl sie eigentlich katholisch sind und auch katholisch bleiben wollen. Gerade stehe ich in Kontakt mit einer jungen Frau, die sich überlegt zur evangelischen Kirche zu konvertieren. Denn sie sagt: Ich fühle mich berufen zur Priesterin, aber ich sehe keine Hoffung. Warum soll ich jetzt katholische Theologie studieren? Studiere ich doch lieber gleich evangelische Theologie. Da ist der Weg einfacher.
DOMRADIO.DE: Sie haben sich anders entschieden: Sie sind trotz ihrer Enttäuschung in der katholischen Kirche geblieben. Wenn Sie jetzt dem Papst drei Dinge nennen sollten, die er am dringlichsten ändern sollte - vielleicht ändern müsste - in seiner Kirche, um sie wieder zu einer Kirche auch und gerade für die Jugendlichen und jungen Leute zu machen; was würden Sie ihm raten?
Straub: Definitiv muss eine Gleichberechtigung - eine wirkliche Gleichberechtigung - von Mann und Frau her. Das heißt nicht nur über die Frau sprechen, was sie alles gut kann, sondern Frauen auch zu den Weiheämtern zulassen. Das ist ein ganz wichtiger Punkt, der junge Leute beschäftigt - und zwar nicht nur Frauen, sondern auch Männer. Das Zweite ist der Umgang mit Randgruppen - die Themen Homosexualität, wiederverheiratete Geschiedene oder auch allgemein Sexualität. Auch da muss etwas getan werden, damit junge Leute sich wieder wohlfühlen in diesen Themen.
Was auch wichtig ist, ist natürlich die radikale Aufarbeitung der Missbrauchsfälle. Dadurch hat die Kirche sehr viel Glaubwürdigkeit verloren. Menschen wollen, dass radikal aufgeklärt wird. Ich persönlich wünsche mir, dass Papst Franziskus oder auch die Bischöfe es schaffen, die Freude am Glauben wieder sichtbarer zu machen und die jungen Menschen wirklich wieder zu begeistern, sich in der Kirche zu engagieren und sich wirklich wieder mit dem eigenen Glauben zu beschäftigen.
Das Interview führte Hilde Regeniter.