Er bleibe ja in der Stadt und werde weiterhin seinen seelsorglichen Auftrag mit Leben füllen – eben nur anders als bisher. Das versprach Pfarrer Wilfried Schumacher am Ende seiner Predigt den vielen Menschen in der Bonner Stiftskirche St. Johann Baptist und St. Petrus, die am Vorabend des Patronatsfest der Heiligen Cassius und Florentius gekommen waren, um auf Einladung der katholischen Kirche in Bonn an der Verabschiedung ihres ehemaligen Bonner Stadtdechanten und Münsterpfarrers teilzunehmen.
Fast 20 Jahre lang hatte der gebürtige Bonner beide Aufgaben inne gehabt, und so fehlte es nicht an offiziellen Rednern, die in diesen beiden Jahrzehnten eng mit Schumacher zusammengearbeitet hatten. Sie rückten nun die zahlreichen Verdienste des engagierten Seelsorgers in den Fokus und benannten, was alles an positiven Entwicklungen und konkreten Initiativen in gemeinsamer Anstrengung zum Wohl der Menschen in Bonn auf den Weg gebracht worden war.
"Segensreich in den Dienst des Reiches Gottes gestellt"
„Was war? Was ist? Was wird?“, fragte daher auch der stellvertretende Bonner Stadtdechant, Pfarrer Bernd Kemmerling, der sich seit der Verzichtserklärung Schumachers auf seine Ämter mit Alfons Adelkamp, Pfarrverweser am Bonner Münster, dessen Aufgaben teilt. Er machte in seiner Begrüßung deutlich, dass Abschiede zu „markanten Haltepunkten“ gehörten, um manch einen Augenblick, der sich aus dem „Strom der Zeit“ heraushebe, sensibler wahrzunehmen, einmal innezuhalten und rückblickend Gewesenes „noch einmal genauer anzuschauen, es wertzuschätzen und Dankbarkeit daraus wachsen zu lassen“.
Denn schließlich liege im Abschiednehmen immer auch ein Geben. Viele seien an diesem Abend gekommen, das Gute, das er als Priester und Mensch für die Stadt, die Kirche und auch für die Ökumene bewirkt habe, zu würdigen, wandte er sich persönlich an den Mitbruder im geistlichen Amt und betonte: „20 Jahre lang hast Du Dich segensreich in den Dienst des Reiches Gottes gestellt. Dafür danken wir Dir von Herzen.“
Schumacher selbst gab seinen vielen Weggefährten in den offiziellen Positionen von Stadt und Kirche, aber auch den Gläubigen seiner ehemaligen Münstergemeinde in der Predigt drei Schriftworte mit, die – wie er sagte – „viel von dem einfangen, was mir nicht nur in den letzten 20 Jahren wichtig war“: Ihr seid Gottes Volk! Ihr seid ein Brief Christi! Und: Damit sie eins sind, wie wir eins sind!
"Christus in der City präsentieren und gegenwärtig machen“
Ohne das Zweite Vatikanische Konzil wäre er nicht Priester geworden, führte der 69-Jährige dann aus, und so bewertete er dessen Bild der Kirche als Volk Gottes auch als eine große Errungenschaft. „Volk Gottes – damit sind alle gemeint, Laien und Kleriker. Alle gehören dazu, haben eine gemeinsame priesterliche Würde. Als Getaufte und Gefirmte haben sie eine gemeinsame Verantwortung“, sagte Schumacher wörtlich. Dieses Volk bleibe nicht stehen. Die Kirche sei pilgernd unterwegs und immer reformbedürftig, merkte er an.
Ihm selbst sei immer wichtig gewesen, dass das Volk Gottes im konkreten Leben der Kirche in Bonn zu Wort gekommen sei. Volk Gottes – das seien nicht nur die Bischöfe und Prälaten. „Sondern Ihr mit ihnen. Oder anders gesagt: die Bischöfe und Prälaten mit Euch. Fordern Sie das ein!“, appellierte Schumacher an die Anwesenden.
Auch das zweite von ihm gewählte Wort „Ihr seid ein Brief Christi“ verortete Schumacher bei seinen Zuhörern. Jeder und jede sei ein Brief Christi, auch wenn der Brief nicht immer lesbar sei oder der Adressat ihn nicht lesen wolle. Aber dann müsse man ihn neu schreiben, neu formulieren – mit einer Sprache, die der Adressat verstehe. Solche Adressaten, sagte er, seien die Menschen in der Bonner City gewesen: Kirchgänger, aber auch Touristen und Zufallsbekanntschaften, die den Weg ins Münster gefunden hätten.
„Für sie wollten wir auf unterschiedliche Weise ein Brief Christi sein.“ Die City-Pastoral habe sich auf den Weg zu diesen Menschen gemacht. „Wir wollten Kirche, wir wollten Christus in der City präsentieren und gegenwärtig machen.“ Für diese unterschiedlichen Versuche der Kontaktaufnahme – „nicht mit Briefen aus Papier und Tinte, sondern als lebendige und überzeugte Christen“ – gebe es viele Beispiele.
Eine „sensible Seelsorge“
Dass dem Pfarrer im Ruhestand immer auch die Ökumene ein besonderes Anliegen gewesen war, brachte er mit dem dritten Schriftwort zum Ausdruck. Ausdrücklich erwähnte Schumacher die „praktische Ökumene“, die in vielen Gemeinden gelebt werde, und die „gewachsene Freundschaft“ zu Eckart Wüster, seinem evangelischen Kollegen. „Wir waren beide der Überzeugung, dass auf unserer Ebene, der Ebene der Stadt, nur das gemeinsame Zeugnis der Christen Zukunft hat.“
Und so habe dieses gemeinsame Engagement bei den vielfältigsten Themen in die Stadtgesellschaft hinein überzeugt: bei Gesprächen mit den jeweiligen Bürgermeistern, bei der Anregung eines „Rates der Religionen“, dem Segen von Karnevalswagen sowie dem Austausch über die theologischen Probleme der Ökumene. „Das, was möglich ist, haben wir getan“, resümierte Schumacher.
Den Reigen der vielen Gruß- und Dankesworte eröffnete für das Erzbistum Köln Generalvikar Dr. Markus Hofmann. Hier und jetzt sei der Raum, „aus ganzem Herzen zu danken“ für das, was Schumacher nach seinem erfolgreichen Wirken als Hochschulpfarrer in Düsseldorf und vorher schon als Pfarrer in Aegidienberg in seiner Heimatstadt Bonn mit Kraft, Phantasie und Leidenschaft in den dann folgenden neuen Aufgaben geleistet habe.
Eine „sensible Seelsorge“ bescheinigte ihm der Generalvikar beim Aufbau der City-Pastoral. Die Märtyrer Cassius und Florentius habe er neu und wirkungsvoll im Bewusstsein der Stadt verankert und mit der Sanierung des Bonner Münsters eine Mammutaufgabe übernommen, die ein Meilenstein für Stadt und Kirche darstelle.
Funktionale Verantwortung der Finanzen
„Wir alle freuen uns schon heute“, sagte Hofmann, „wenn das Münster demnächst in neuem Glanz erstrahlen wird.“ Allerdings kam der Vertreter der Kölner Bistumsleitung zunächst auch noch einmal auf die Umstände zu sprechen, die im Frühjahr zum Amtsverzicht des amtierenden Stadtdechanten geführt hatten, nachdem er die funktionale Verantwortung bei der unsachgemäßen Verwendung von Kirchengeldern übernommen hatte. Die öffentliche Aufmerksamkeit für diesen Vorgang – in der Presse, aber auch durch die von Ex-Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch und Bundesminister Norbert Blüm a. D. initiierte Solidaritätspetition – habe damals hohe Wellen geschlagen. Doch nun sei es – nach dieser Zeit der Irritation – allen gemeinsam ein Anliegen, nach vorne zu schauen und das seelsorgliche Leben in der Stadt weiter zu fördern, so der Generalvikar.
„Ihr Wort hatte Gewicht"
Oberbürgermeister Ashok Alexander Sridharan stellte heraus, dass Schumacher vielen Katholiken in der Stadt eine geistliche Heimat gegeben, die Caritas und Diakonie zu seinen Themen gemacht sowie der Willkommenskultur ein Gesicht gegeben habe. „Für Sie gilt: bei den Menschen und für die Menschen da“, unterstrich der Bonner OB. Sich verstecken oder vornehm verdrücken bei manch unbequemem Thema, das habe für Schumacher als Kirchenvertreter nicht gegolten, bescheinigte dem Bonner Seelsorger Caritas-Direktor Jean Pierre Schneider. „Ihr Wort hatte Gewicht, auch wenn es nicht von der Kanzel kam, sondern auch kritische und konstruktive Dialoge aufmachte. Sie wussten, welche Wege es braucht, wenn es ein Anliegen zu vermitteln oder sich einzumischen galt.“ Das konnte auch Pfarrer Kemmerling, der Schumacher zum Abschied einen Kerzenständer aus dem Bonner Münster schenkte, bestätigen: „Ich habe Dich als einen Menschen kennengelernt, der sich einmischt – auch da, wo es Staunen bereitet hat in unserer Stadt.“
Schumacher war am 10. Mai von seinen Ämtern als Stadtdechant und Münsterpfarrer zurückgetreten. Laut Erzbistum Köln und einem externen Gutachten wurden zwischen 2009 und 2014 rund zwei Millionen Euro aus dem Substanzvermögen der Münstergemeinde unzulässig verwendet, um Löcher im Etat der Pfarrei zu stopfen. Eine persönliche Bereicherung war dem Geistlichen nicht unterstellt worden.