"Wir befürchten, dass durch die veränderte politische Situation vor allem in Italien die Handelsschifffahrt wie bereits vor einigen Jahren wieder verstärkt mit der Rettung Hilfesuchender konfrontiert wird", sagte die Präsidentin der Seemannsmission, Clara Schlaich, am Dienstag. Die Organisation mit Sitz in Bremen fordert deshalb Bundesregierung und EU auf, sofort verbindliche Regelungen für die Handelsschifffahrt zur Bergung von Schutzsuchenden aufzustellen.
Die Seeleute befinden sich Schlaich zufolge in einem ethischen Dilemma. Sie seien nach internationalem Seefahrtsgesetzen verpflichtet, jedem in Seenot geratenen Menschen zu helfen. "Tun sie das, führt die veränderte Politik jedoch dazu, dass sie möglicherweise kriminalisiert und gegebenenfalls sogar verhaftet werden", sagte sie. In Italien würden Schiffe mit Hilfesuchenden an Bord festgehalten, und Kapitäne beziehungsweise Mannschaftsmitglieder würden als angebliche Schlepper angeklagt.
Retter entkriminalisieren
Retteten sie nicht, litten die Seeleute unter massiven Schuldgefühlen und setzten sich einer möglichen Anklage wegen unterlassener Hilfeleistung aus. Die Politik lasse sie in dieser Situation alleine, erklärte Schlaich. Deshalb müssten verbindliche Regelungen gefunden werden, um die Handelsschifffahrt bei der Bergung zu entkriminalisieren. Notwendig seien auch klare Bestimmungen für die Übergabe der Geretteten.
Schlaich zeigte sich beeindruckt davon, dass sich einige Reedereien in Deutschland trotz der veränderten politischen Lage auf die Rettung von Flüchtlingen vorbereiteten. "Sie setzen damit ein klares Signal für Humanität", sagte sie. Zur Deutschen Seemannsmission gehören 32 Stationen im In- und Ausland. Mehr als 700 Haupt- und Ehrenamtliche leisten in ihrem Auftrag auf Schiffen, in Seemannsclubs und in Seemannsheimen auf mehreren Kontinenten Seelsorge und Sozialarbeit an Seeleuten aus aller Welt.