Das frühe Christentum der Antike in Nordafrika war mit der islamischen Eroberung des 7. Jahrhunderts untergegangen. Erst im mächtigen kolonialen Fahrwasser Frankreichs ergab sich Mitte des 19. Jahrhunderts eine Chance, das Rad zurückzudrehen. Ein Schlüsselfigur für diesen Versuch war Charles-Martial Allemand Lavigerie (1825-1892).
Gebürtig in Bayonne im Baskenland, wurde Lavigerie Bischof von Nancy und 1867 von Papst Pius IX. zum Erzbischof von Algier ernannt. Neben der Wiederbelebung des antiken Christentums in Nordafrika fasste er sogar eine Verbreitung in ganz Afrika ins Auge.
Gesellschaft der Afrikamissionare
Sein Mittel dafür waren Missionsgesellschaften, die sich für Bildung, für Arme, Kranke und Waisenkinder einsetzen sollten. Am 19. Oktober 1868, vor 150 Jahren, gründete Lavigerie die Gesellschaft der Afrikamissionare (Weiße Väter). Im Jahr darauf entstand auch ein weiblicher Zweig, die Weißen Schwestern.
Die landläufige Bezeichnung der "Weißen Väter" knüpft an das weiße Ordensgewand an. Allerdings wurde der Name allzu häufig mit der Hautfarbe der Priester assoziiert - weshalb später eher die Bezeichnung "Afrikamissionare" bevorzugt wurde. Ihre Spiritualität ist von den Jesuiten geprägt, die in den Anfangszeiten die Seminaristen des Ordens ausbildeten. Die Mitglieder sollten die Kultur der einheimischen Bevölkerung respektieren und eine bodenständige Kirche aufbauen.
1878 wurden Missionsstationen in Ostafrika und 1894 in Französisch-Sudan gegründet, dem heutigen Mali, Burkina Faso und Guinea. 1874 entstanden Niederlassungen in Frankreich, 1884 in Belgien, 1894 in Deutschland und 1901 in Kanada. Allerdings waren nicht alle Versuche von Erfolg gekrönt. 1876 wurden drei Missionare von Tuareg beim Versuch getötet, durch die Sahara das heutige Mali zu erreichen.
Engagement gegen die Sklaverei
Besonders engagierte sich Lavigerie gegen die Sklaverei. Er besuchte dafür Europas Hauptstädte und Regierungen, hielt und veröffentlichte Reden und Predigten für ein Ende des Menschenhandels. 1878 ernannte ihn Leo XIII. (1878-1903) zum Apostolischen Delegaten für Zentralafrika und damit zum Beauftragten für die Mission. 1882 erhielt er den Kardinalshut.
Und als das 1843 gegründete Apostolische Vikariat Tunesien 1884 zum Erzbistum Karthago erhoben wurde, machte der Papst den Gründer der Weißen Väter zum ersten Erzbischof von Karthago und damit - unter Rückgriff auf die Antike - zum Primas von ganz Afrika ("Primas Africae"). Lavigerie ließ in Karthago eine Kathedrale errichten, wo einst die Akropolis der antiken Großmacht stand. Ein umlaufendes Mosaikband formuliert in dicken lateinischen Lettern den Führungsanspruch des Hausherrn für "ganz Afrika".
Lavigerie starb im November 1892 in Algier. Sein Leichnam wurde in der Kathedrale von Karthago bestattet und nach der Enteignung der Kirche durch den tunesischen Staat 1964 nach Rom überführt. Nur drei Jahre nach Lavigeries Tod erfüllte sich ein alter Traum: Einer Karawane von Missionaren gelang es, ins Innere Westafrikas vorzudringen und Niederlassungen im heutigen Mali zu gründen.
Im 19. Jahrhundert bestand die katholische Kirche in Nordafrika fast ausschließlich aus Europäern, vielfach französische Beamte und Führungskräfte. Bildung, Erziehung und Caritas besorgten die Weißen Väter und einige andere Orden. Diese Verhältnisse bestanden bis zum Zweiten Weltkrieg bzw. dem Ende der kolonialen Ära in den 1960er Jahren weitgehend fort.
Christlich-islamischer Dialog
Besonders widmeten und widmen sich die Weißen Väter dem christlich-islamischen Dialog. Dazu gründete der Orden 1937 in Tunis das "Institut des Belles Lettres Arabes" (IBLA), eine wissenschaftliche Einrichtung mit zwei Bibliotheken zu arabischer Literatur. 1926 entstand, ebenfalls in Tunis, das "Institut für arabische und Islamstudien", das in den 50er Jahren als päpstliches Institut PISAI nach Rom verlegt wurde. Und 1978 gründeten die Weißen Väter die Christlich-islamische Begegnungs- und Dokumentationsstelle (CIBEDO) mit Sitz in Frankfurt/Main, seit 1998 Fachstelle der Deutschen Bischofskonferenz.
Seit Beginn setzte der Orden bewusst Medien für seinen Missionsauftrag ein. 1894 erschien in Deutschland die erste Ausgabe der Zeitschrift "Afrikabote". Sie ging 1967 im Nachfolgetitel "kontinente" auf, der gemeinsam von 24 Missionsorden und dem Hilfswerk missio Aachen verantwortet wird.
Bis heute verfolgt der Orden weiter den Aufbau einer dienenden Kirche in Afrika - mit Respekt gegenüber der Spiritualität des anderen. Er ist in etwa 20 Ländern aktiv und zählt laut Vatikan-Angaben rund 1.600 Mitglieder, davon 1.350 Priester.