DOMRADIO.DE: Es heißt ja häufig, wir Deutschen seien besonders großzügig und "Spendenweltmeister". In der Wissenschaft sieht das ein bisschen anders aus, oder?
Dr. Michael Urselmann (Professor für Sozialmanagement mit Forschungsschwerpunkt Fundraising): Ja, man kann sagen, wir sind durchaus großzügig. Etwa ein Drittel der Deutschen spendet und das sind etwa 240 Euro pro Nase und Jahr. Das bedeutet nicht, dass wir "Spendenweltmeister" sind. Es gibt andere Länder, die noch großzügiger sind, aber da denke ich insbesondere an die USA, an die Schweiz oder auch die Niederlanden.
DOMRADIO.DE: Wer Geld spendet, gibt einen Teil von dem ab, was er besitzt. Warum genau? Löst es ein gutes Gefühl in uns aus?
Urselmann: Ja, es gibt einen schönen Begriff, den sogenannten "Warm-Glow"-Effekt. Also das warme Glühen, das ausgelöst wird. Ich kann als Betriebswirt nicht genau sagen, welche biochemischen Vorgänge im Gehirn dabei vorgehen, aber es scheinen ähnliche Belohnungszentren angesprochen zu werden, wie die, wenn wir Dinge tun, die uns erfreuen.
DOMRADIO.DE: Sie sind Experte für das Spendensammeln, für das sogenannte Crowdfunding. Wie spreche ich Menschen erfolgreich an? Sagen wir einmal, es geht um einen Jugendraum in einer Pfarrei. Der müsste erneuert werden und es werden 5.000 Euro gebraucht.
Urselmann: Es geht dabei um einen durchaus überschaubaren Betrag von 5.000 Euro. Wenn wir Jugendliche ansprechen wollen, sind die natürlich in der Regel noch nicht in der Lage, große Beträge zu geben – einfach aufgrund des Alters. Aber die jungen Menschen halten sich natürlich sehr stark im Internet auf. Die zwei Dinge kann man zusammenbringen – Internet und Spenden – indem man zum Beispiel eine Spendenaktion im Internet startet. Ein gewöhnungsbedürftiges Stichwort ist das "Painless Giving", was bedeutet, etwas zu geben, ohne dass es wirklich weh tut. Das geht beispielsweise über eine Charity-Shop-Plattform, bei der man Käufe tätigt, wo dann wiederum Provisionen an eine gemeinnützige Organisation gegeben werden. In dem Fall an den Jugendraum, für den man das Geld braucht.
Derjenige, der den Jugendraum unterstützen möchte, kauft "normal" im Internet, so wie er sonst auch gekauft hätte. Dabei geht man aber nicht direkt zur Homepage des Buchhändlers, sondern über eine Charity-Plattform. Dadurch erhält diese Charity-Plattform eine Provision vom Buchhändler und die teilt sie wiederum mit dem gemeinnützigen Anliegen. Da macht dann Kleinvieh durchaus auch Mist.
DOMRADIO.DE: Sagen wir mal, der Kölner Dom braucht ein neues Fenster, weil es kaputt gegangen ist. Wie würde man so etwas gestemmt bekommen?
Urselmann: Dafür müsste man sicherliche einen deutlich höheren Betrag sammeln. Es gibt aber auch ein größeres Zielpublikum, das ein Interesse daran hat. Da würde man vielleicht nicht so sehr auf das Internet setzen, sondern mehr über den klassischen Weg gehen: Den guten alten Spendenbrief verschicken und Spenderinnen und Spender im direkten Gespräch gewinnen. Viele kennen das aus der Fußgängerzone. Natürlich wäre es auch denkbar, sich mit einem Stand vor dem Dom zu stellen, auf diesen Bedarf hinzuweisen und die Menschen direkt anzusprechen.
DOMRADIO.DE: Jetzt hat man das Gefühl zur Adventszeit kommt aus allen Ecken ein Spendenaufruf. Ist das wirklich so, können Sie das wissenschaftlich bestätigen?
Urselmann: Ja, das kann man bestätigen, muss man allerdings auch ein bisschen korrigieren. Natürlich ist es so, dass die Weihnachtszeit die Menschen besonders motiviert, also am Fest der Liebe an die Nächsten zu denken. Aber das passiert nicht genau in der Adventszeit, sondern schon Mitte November. Und zwar deshalb, weil da das berühmte Weihnachtsgeld oder das 13. Monatsgehalt kommt. Da haben wir dann ein bisschen mehr Geld in der Tasche und sind großzügiger. Wir befinden uns also gerade mitten in der Spendenhochsaison, wenn man so will.
Das Gespräch führte Tobias Fricke.
Das Buch von Prof. Dr. Michael Urselmann ist in der siebsten Auflage bei Springer Gabler Verlag in Wiesbaden erschienen: "Fundraising: Professionelle Mittelbeschaffung für gemeinwohl-orientierte Organisationen."