Kardinal Müller kritisiert Missbrauchsaufarbeitung

"Nibelungentreue hat hier nichts zu suchen"

Ihm fehlt Grundlegendes: Kardinal Gerhard Ludwig Müller vermisst bei der Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs durch Priester eine tiefergehende theologische Analyse. Zudem kritisiert er das Verhältnis der Bischöfe und Kardinäle zum Papst.

Aus guten Tagen: Papst Franziskus (l.) mit Kardinal Gerhard Ludwig Müller / © Paul Haring (KNA)
Aus guten Tagen: Papst Franziskus (l.) mit Kardinal Gerhard Ludwig Müller / © Paul Haring ( KNA )

In einem Interview mit der "Passauer Neuen Presse" (Dienstag) erklärte er, es gehe darum, wieder mehr geistlich und theologisch zu werden und weniger politisch und zeitgeistig. So stelle sich etwa die Frage: "Warum gibt es in der Kirche, die Christus gestiftet und geheiligt hat, dennoch Sünder und sogar manchmal Verbrecher?"

Echte Neuevangelisierung wagen

Die Kirche sei nicht glaubwürdig durch die Summe ihrer moralisch einwandfreien Mitglieder, "sondern durch die frei uns geschenkte Gnade Gottes", erklärte der Dogmatiker weiter. Unabhängig davon brauche es die Erneuerung des ethischen Verhaltens und die Orientierung der Geistlichen an ihrem Auftrag, auf dem Weg der Nachfolge Christi mit gutem Beispiel voranzugehen. Eine verweltlichte Kirche könne der Welt allerdings keine Hoffnung geben.

Statt auf den "Zug der Demoralisierung und Ent-Christianisierung" aufzuspringen, gelte es, eine echte Neuevangelisierung zu wagen.

Verunsicherung unter Gläubigen

Zugleich kritisierte der Kardinal, dass manche Bischöfe die Gläubigen verunsicherten, "weil sie in ihren Stellungnahmen nur dem Mainstream folgen". Sie ließen sich die "Zwangsjacke der political correctness anlegen, in der sie sich ungelenk bewegen und nur lächerlich machen".

Seiner Ansicht zufolge dürfen Bischöfe nicht zuerst politisch agieren und denken, "um dann ihre Machtspiele pseudotheologisch einzukleiden".

Keine Nibelungentreue zum Papst?

Weiter äußerte sich Müller auch über das Verhältnis der Bischöfe und Kardinäle zum Papst. Nibelungentreue habe hier nichts zu suchen: "Wir sind Brüder und nicht Untertanen." Am meisten würden die Kardinäle und Bischöfe dem Papst helfen mit "qualifizierten Beiträgen, die sie mit männlicher Klarheit vortragen - ohne alles höfische Getue".

Weiter fügte der Theologe hinzu: "Ich kenne wahrscheinlich besser die Theologie des päpstlichen Primates in seiner Bedeutung und seinen Grenzen als manche Dilettanten und Opportunisten, die sich ihm andienen wollen."


Quelle:
KNA