Wie die Digitalisierung unsere Arbeitswelt verändert

Viel mehr Freizeit dank Robotern?

Im November 1918 wurde der Acht-Stunden-Arbeitstag eingeführt. Doch ist das Modell noch zeitgemäß? Autor Karl-Heinz Land ist der Überzeugung, die Digitalisierung wird uns mehr Leben und weniger Arbeit bescheren.

Ein humanoider Roboter gibt einem Menschen die Hand / © Friso Gentsch (dpa)
Ein humanoider Roboter gibt einem Menschen die Hand / © Friso Gentsch ( dpa )

DOMRADIO.DE: In Ihrem Buch "Erde 5.0 – Die Zukunft provozieren" beschreiben Sie, wie sich die Digitalisierung auf unsere Arbeitswelt auswirken könnte. Vor 100 Jahren war der Acht-Stunden-Tag ein voller Erfolg – maximal acht Stunden arbeiten. Und jetzt ist dieses Modell veraltet, oder wie sieht es aus?

Karl-Heinz Land (Autor und Coach): Wenn wir uns überlegen, wie sehr sich unsere Arbeitswelt wandelt und in den letzten hundert Jahren gewandelt hat, ist es eigentlich verwunderlich, dass wir immer noch acht Stunden arbeiten. Denken Sie nur mal an die Fortschritte in der Technologie - durch die Automatisierung und durch die Robotik.

DOMRADIO.DE: Das heißt, für Sie ist es eine logische Konsequenz, in der modernen Welt die Arbeitszeiten zu vermindern.

Land: Ja, selbstverständlich. 1825 hat man noch 82 Stunden in einer Sieben-Tage-Woche gearbeitet. Denken Sie an die industrielle Revolution, die damals mit der Dampfmaschine in England begann. Danach haben sich nach und nach die sozialen Bedingungen verbessert. Etwa durch die Einwirkung der Gewerkschaften, aber auch durch die Automatisierung, die letztendlich über die Fließbandarbeit dazu geführt hat, dass die Wertschöpfung größer wurde und der Mensch diese schweren Arbeiten selber nicht mehr machen musste. Die Kraft wurde durch Maschinen ersetzt und so konnte man auch die Arbeitskraft, also die Arbeitszeit senken. Ich finde es überfällig, dass man jetzt über Sechs- oder sogar Vier-Stunden-Tage nachdenkt.

DOMRADIO.DE: Das würde bedeuten: Mehr Leben, weniger arbeiten. Das ist ein Gedanke, der auch sehr christlich ist – menschenwürdig statt ausbeuterisch, um es mal so zu sagen. Und es ist auch familienfreundlicher.

Land: Absolut. Ich sage immer, wir müssen unseren Umgang mit Arbeit überdenken. Irgendwann wird die Arbeit vermutlich ganz automatisiert werden können. Ob das in 100 oder in 150 Jahren der Fall ist, irgendwann werden Roboter alles machen können, was auch der Mensch machen kann. Und die Frage ist ja immer: Ist der Mensch denn wirklich zum Arbeiten gemacht? Die Frage sollten wir uns stellen.

Zumindest dort, wo der Roboter oder die künstliche Intelligenz den Menschen ersetzen kann, sollte man das dringend tun, finde ich. Allerdings müssen wir auch neue Modelle entwickeln, was wir mit dieser verbleibenden Zeit tun. Denken Sie mal, wieviele Alleinerziehende täglich durch die Büros hetzen, dann noch ein bisschen einkaufen, Kinder aus dem Kindergarten holen müssen und so eigentlich keine Zeit mehr für gar nichts haben. Wäre es nicht eine wunderbare Vorstellung, wenn die auf einmal Zeit hätten, vernünftig einzukaufen, wieder selber zu kochen und sich mit den Kindern oder den Angehörigen zu beschäftigen?

DOMRADIO.DE: Aber sein tägliches Brot muss man am Ende irgendwie verdienen. Bei allen Zukunftsmodellen, wie dem bedingungslosen Grundeinkommen oder auch der Sechs-Stunden-Tage – wie kann man denn sein Arbeitspensum trotzdem schaffen?

Land: Wenn die Buchhaltungs-Software demnächst mit der künstlichen Intelligenz zusammenstößt, wird das Buchen nicht mehr der Buchhalter übernehmen und der Steuerberater wird das auch nicht mehr prüfen. Der Algorithmus wird das übernehmen. Wir sollten uns jetzt auf eine Zeit vorbereiten, wo wir mehr Zeit für die wirklich wichtigen Dinge haben.

Wäre es in der Schule nicht besser statt einer Klasse mit 30 Kindern und einem überforderten Lehrer oder einer überforderten Lehrerin drei Klassen à zehn Kinder zu haben? Wir würden die Arbeit verdreifachen sozusagen, aber wir würden intensiver mit den Menschen sprechen. Ein anderes Beispiel ist die Krankenschwester, die 50 Kilo wiegt und einen 80 Kilo schweren Mann wenden muss, weil er bettlägerig ist. Wäre es nicht besser, ein Roboter könnte dieses Wenden übernehmen? Gleichzeitig hätte die Krankenschwester mehr Zeit, um sich um den Patienten zu kümmern und sich dem Menschen zuzuwenden.

Meine These lautet, die Automatisierung, die Robotik und die künstliche Intelligenz werden den Menschen dramatisch entlasten. Wer würde heute noch einem Schweißroboter oder einem Lakierroboter nachweinen? Damals haben wir gesagt, das sind schreckliche Berufe, die waren ungesund. Und heute sind wir froh, dass sie uns die Robotik abnimmt.

DOMRADIO.DE: Ihr Buch erschafft ja diese Erde 5.0 und spricht genau davon. Macht Ihnen das denn nicht manchmal auch Angst?

Land: Es macht mir insofern Angst, wenn ich daran denke, dass wir die Technologie für Dinge verwenden, für die wir sie nicht nutzen sollten. Gerade gestern hatten wir den Fall: Das menschliche Genom ist entschlüsselt und jetzt können wir mit der CRISPR-Schere Gene manipulieren. In China hat zum ersten Mal jemand genmanipulierte Zwillinge hervorgerufen – das macht mir wirklich Angst.

Deshalb heißt der Untertitel des Buches "Erde 5.0 – die Zukunft provozieren". Das heißt, wir müssen jetzt sagen, was passieren soll, aber auch, was nicht passieren soll. Wir müssen die Regeln dafür festlegen und das ist teilweise auch ein ethisches Dilemma. Aber ich bin der Meinung, es lohnt jeden Aufwand. Wenn wir nochmal auf die Arbeit blicken: Viele stehen heute unter Druck und haben gar keine Wahl der Arbeit. Ich finde es sehr viel schöner, wenn der Mensch entscheiden kann, was er machen möchte oder auch, was er vielleicht nicht machen möchte.

Das Interview führte Verena Tröster.


Menschenhand und Roboterarm bei einer Biopsie / © N.N. (dpa)
Menschenhand und Roboterarm bei einer Biopsie / © N.N. ( dpa )
Quelle:
DR