DOMRADIO.DE: An der Päpstlichen Universität Gregoriana findet am Donnerstag und am Freitag eine internationale Konferenz zur Umwidmung von Kirchen statt. In was werden die Kirchengebäude denn umgewidmet? Da gibt es ja ganz unglaubliche Beispiele.
Prof. Jan Loffeld (Katholische Hochschule in Mainz, Schwerpunkte umfassen Säkularität und Religionssoziologie): Ja, es gibt die Geschichte eines Kletterparks in einer Kirche. Ich habe mal von einem Saunapark gehört. Es gibt aber auch etwas einfachere, für die katholische Seele nicht so provokante Beispiele, wie Cafés, Restaurants, Bibliotheken oder Buchhandlungen. In Münster bezieht das Verlagshaus Dialogverlag eine ehemalige Kirche.
Es gibt immer mal wieder die Überlegung, ob man nicht zum Beispiel Altenheime oder Kindergärten für profanierte Kirchen ausmachen sollte, um damit bei der Umnutzung im kirchlichen Bereich zu bleiben. Aber das ist ein ganz offenes Feld. Das zeigt auch die Tagung in Rom.
DOMRADIO.DE: Ist es denn auch denkbar, dass christliche Kirchen zum Beispiel von muslimischen Gemeinden gekauft und zu Moscheen werden?
Loffeld: In Hamburg gab es so einen Fall. Da wurde vor einigen Jahren eine evangelische Kirche umgewidmet und wurde dann zu einer Moschee. Was ich wahrnehme, ist, dass die christlichen Kirchen da etwas zurückhaltend und zögernd sind und auch Vorbehalte haben.
Ich habe mir mal angeguckt, was das Zweite Vatikanische Konzil zu den Muslimen sagt, und ich glaube, dass man da vielleicht eine Brücke schlagen könnte. Da heißt es nämlich, dass der Heilswille Gottes alle trifft, die den Schöpfer anerkennen, und damit sind auch Muslime gemeint, die mit uns gemeinsam Gott anbeten. Ich finde, das könnte eine Brücke sein um zu sagen: Bevor aus einer Kirche ein Kletterpark oder eine Saunalandschaft wird, ist es vielleicht doch besser, wenn dort der eine Gott, wie es das Konzil nennt, angebetet wird. Auch da muss man wieder neu und offen nachdenken und sich beispielsweise der Theologie bedienen, weil wir da gute Ansätze haben.
DOMRADIO.DE: Gehen wir vielleicht noch einen Schritt zurück: Sie haben ja nachgeforscht, was die Gründe für diese Umwidmungen sind. Können Sie uns das erklären?
Loffeld: Was hier passiert, kann man mit der Religionssoziologie nachweisen, wo man gerade in Westeuropa mindestens seit den 1950er Jahren eine Erosion von Religion feststellt. Eine neue religionssoziologische Studie aus England zeigt zum Beispiel, dass bei dem, was wir Transzendenz nennen, für viele der Himmel einfach ausfällt. Doch Kirchen stehen nun mal für den Himmel. Wenn Sie an die Gotik denken: Die gotischen Kirchen möchten Abbilder des Himmels sein.
Eine neue englische Studie zeigt aber auch, dass der Himmel umgedeutet wird. Das heißt, der Glaube an das Universum hat immer mehr den Schöpfergott ersetzt. Es geht aber auch um die Tatsache, dass das, was da irgendwann kommt, auf die hinteren Ränge dessen verschoben wird, was für die Menschen wichtig ist. Das beobachten wir unter älteren Menschen. Das Phänomen ist im Fluss. Da wissen wir nicht, wie das weitergeht. Ich denke, es hat generell damit zu tun, dass die Transzendenz-Dimension sich transformiert, anders gedeutet, nicht mehr christlich gedeutet wird oder gänzlich ausfällt.
DOMRADIO.DE: Ist das ein westeuropäisches Phänomen? Andernorts werden ja sogar neue Kirchen gebaut.
Loffeld: Die Entbettung von Religion – so nennt man das – scheint einer neuen internationalen Studie zufolge ein internationales Phänomen zu sein. Es gibt sogar Leute, die sagen, der islamische Fundamentalismus hat genau mit dieser Entbettung zu tun. Es ist aber ein offener Prozess, der internationale Züge trägt, wenn wir von ein paar afrikanischen Ländern absehen.
Aber wir können deswegen nicht immer von allgemeinen universalen Ansätzen und Thesen ausgehen. Und deshalb gibt es zu jeder Bewegung, die sich als so ein Megatrend formiert, eine Gegenbewegung. Und so gibt es in den Niederlanden, einem der säkularisiertesten Länder, eine Art "Bible Belt" (Gegend, in der evangelikaler Protestantismus ein integraler Bestandteil der Kultur ist, Anm. d. Red.), wo Kirchen gebaut werden. Das gibt es also auch in Europa.
Das Interview führte Verena Tröster.
Vertiefend können Sie hier eine Vorlesung von Prof. Jan Loffeld zu dem Thema nachlesen.