UN: Lage für Menschenrechtsverteidiger in Kolumbien dramatisch

Hinweise auf Verstrickung internationaler Konzerne

Trotz des Friedensprozesses hat sich die Lage für Menschenrechtsverteidiger in Kolumbien nicht verbessert. Im Gegenteil: Der Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen spricht von einer dramatischen Lage.

Autor/in:
Tobias Käufer
Kolumbien: Polizei verhaftet einen Mann auf der Straße / © Fernando Vergara (dpa)
Kolumbien: Polizei verhaftet einen Mann auf der Straße / © Fernando Vergara ( dpa )

Gut zwei Wochen war der Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen über die Lage von Menschenrechtsverteidigern durch Kolumbien gereist, nun fällte Michael Forst ein verheerendes Urteil über die Lage in dem südamerikanischen Land. "Als Sonderbeauftragter habe ich viele Länder besucht, aber die Situation, die ich in Kolumbien sehe, ist wirklich dramatisch", sagte Forst in einem Interview der Tageszeitung "El Tiempo" (Montagabend Ortszeit, Onlineausgabe). Der ehemalige Generalsekretär der französischen nationalen Menschenrechtsinstitution ist seit Juni 2014 UN-Sonderberichterstatter.

Gewalt gegen Menschenrechtsverteidiger angestiegen

Viele Menschenrechtsverteidiger lebten angesichts ständiger Attacken zwischen Angst und Horror, so Forst weiter. Zwar sei die allgemeine Mordrate in Kolumbien in den vergangenen Jahren um 40 Prozent gesunken, die Gewalt gegen Menschenrechtsverteidiger sei dagegen angestiegen.

Forst erklärte, sein Besuch in dem südamerikanischen Land sei der erste seit über zehn Jahren und erfolge auf Einladung des konservativen kolumbianischen Präsidenten Ivan Duque. Mit ihm sei an diesem Dienstag ein Treffen angesetzt. Er erkenne in der aktuellen Regierung den Willen für die Sicherheit der Menschenrechtsverteidiger zu arbeiten, erklärte der UN-Sonderberichterstatter.

Auf der anderen Seite habe er allerdings besorgniserregende Hinweise von Menschenrechtsverteidigern erhalten, die über die Verwicklung internationaler Unternehmen, insbesondere aus dem Bergbau, in die Attacke berichten. Forst kündigte an, den betreffenden Firmen, die er nicht namentlich nannte, in offiziellen Schreiben auf die Vorfälle und Anschuldigungen direkt anzusprechen. Die Unternehmen hätten dann 60 Tage Zeit sich zu den Anschuldigungen zu äußern. Danach werde es einen öffentlich zugänglichen Bericht des Sonderberichterstatters geben.

Der neue kolumbianische Präsident hatte zu Beginn seiner Amtszeit ein stärkeres Engagement seiner Regierung gegen die Gewalt gegen Menschenrechtsverteidiger angekündigt. Die Menschenrechtsorganisation "Indepaz" berichtete im November, seit Jahresbeginn seien 226 soziale Aktivisten und Menschenrechtsverteidiger in 112 Städten und Gemeinden in Kolumbien getötet worden. Forst erklärte, ein Teil der Gewalt stehe noch in Zusammenhang mit den Nachwirkungen des bewaffneten Konfliktes, zugleich zeige der kolumbianische Staat aber in einigen betroffenen Regionen des Landes überhaupt keine Präsenz.

Fortschritte im Friedensprozess

Die wachsende Gewalt gegen Menschenrechtler steht damit im Gegensatz zu den Fortschritten im Friedensprozess. Ende 2016 konnte sich Kolumbiens Regierung des damaligen Präsident Juan Manuel Santos nach vierjährigen Verhandlungen auf ein Friedensabkommen mit der bis dahin größten Guerilla-Bewegung FARC verständigen. In dem jahrzehntelangen Konflikt zwischen Staat und Guerilla starben rund 300.000 Menschen; mehr als sieben Millionen wurden zu Binnenflüchtlingen. Santos erhielt für seine Bemühungen den Friedensnobelpreis.

Ende November nahm die Wahrheitskommission zur Aufarbeitung des bewaffneten Konflikts ihre Arbeit auf. Der Vorsitzende der Einrichtung, Jesuitenpater Francisco de Roux, erklärte vergangene Woche, zentrale Aufgabe der Kommission sei neben der Wahrheitsfindung die Anerkennung der Opfer und ihrer Rechte sowie eine Klärung der Verantwortlichkeiten.


Quelle:
KNA