Deutscher Pfarrer über Proteste in Paris

"Sich politisch einzumischen, ist schwierig"

Nach den Protesten in Paris verzichtet der französische Regierung vorerst auf die umstrittenen Steuererhöhungen. Welche Auswirkungen die Proteste und die politischen Pläne auf das kirchliche Leben haben, berichet ein deutscher Pfarrer in Paris.

Ein Demonstrant mit einer gelben Weste schwenkt die französische Flagge / © Michel Euler (dpa)
Ein Demonstrant mit einer gelben Weste schwenkt die französische Flagge / © Michel Euler ( dpa )

DOMRADIO.DE: In Paris und in anderen Orten haben die Proteste Krawalle mit zum Teil erheblicher Verwüstung und Verletzten ausgelöst. Als am Mittwoch dann Frankreichs Premierminister einen Aufschub der Ökosteuer ankündigte, entgegneten die Gelbwesten jedoch mit einer Fortführung der Proteste. Was bekommen Sie von den Protesten überhaupt mit?

Markus Hirlinger (Pfarrer der deutschsprachigen Gemeinde Sankt Albertus Magnus in Paris): Während der Woche ist es relativ ruhig auf den Straßen. Wenn man an die Plätze geht, wo alles verwüstet wurde, dann sieht man dort verbrannten Teer, wo vielleicht Autos standen, Gartenzäune, die eingerissen wurden oder eben Graffiti. Dann kann man sich ein wenig vorstellen, was dort los war. Ansonsten haben mir Gemeindemitglieder berichtet, was am Wochenende los war, dass auch Alkohol im Spiel war oder manche sich vermummt haben.

DOMRADIO.DE: Wie weit ist die Gemeinde davon betroffen?

Hirlinger: Unser Gemeindehaus ist etwa 500 Meter von den Champs-Élysée und vom Arc de Triomphe entfernt. Wir nehmen derzeit mehr Polizei wahr.

DOMRADIO.DE: Wie reagiert die Gemeinde?

Hirlinger: Die Gemeindemitglieder machen sich Sorgen. Am Samstag zum Beispiel feiern wir eine Erstkommunion. Zwei Eltern haben mich gefragt, ob das nicht zu gefährlich ist. Aber ansonsten sind die Gemeindemitglieder selber weniger betroffen. Manche kennen Leute, die vielleicht in finanziellen Nöten sind. Sie persönlich meist nicht.

DOMRADIO.DE: Mittlerweile sind Jugendliche und Schüler mit dabei. Ist das dann noch ernsthaftes Interesse an der Politik oder vielleicht auch eher Lust auf Krawall?

Hirlinger: Es ist naheliegend, das so zu denken. Da gibt es sicherlich auch einige, die Lust haben aufzuspringen. Aber es gibt sicherlich auch einige Jugendliche, die sich wirklich Sorgen um ihre Zukunft machen. Sie sehen sich im Konkurrenzdruck der globalisierten Welt und wissen nicht, ob sie dem wirklich standhalten können. Sie wollen sich sehr früh wehren und springen dann auf diesen Zug auf. Es gibt aber auch Politiker von der Opposition, die das zusätzlich schüren. Möglicherweise sind da die Jugendlichen leichter mitzunehmen.

DOMRADIO.DE: Jetzt hat aber die französische Regierung die Steuererhöhungen erst mal auf Eis gelegt. Könnten dann die Proteste nicht aufhören?

Hirlinger: Das müsste man eigentlich annehmen. Aber die Verantwortlichen von den Gelbwesten sagen, es sei zu spät. Sie wollen sofort Lösungen und nicht nur einen Aufschub von sechs Monaten. Die Stimmung ist nicht wirklich zu bändigen. Und die Opposition tut dort ihr übriges. Die Diskussion ist nicht nur von Sachargumenten geleitet ist, sondern von Politik und Machtfragen.

DOMRADIO.DE: Könnte die Kirche da jetzt nicht einschreiten und vermitteln?

Hirlinger: Das ist grundsätzlich ganz schwierig in Frankreich, weil die Trennung von Staat und Kirche sehr deutlich festgeschrieben ist. Die Gemeinden können nur vor Ort versuchen, sich für Frieden, für ein gutes Miteinander und für die Menschen einzusetzen, die in einer sozialen Notlage sind.

Aber sich politisch einzumischen, das ist ganz schwierig. Der Bischof hat alle kirchlichen Einrichtungen angeschrieben und gebeten, dass wir für die Werte des Dialogs und gegen Gewalt eintreten, uns aber gleichzeitig auch auf die Seite der Schwachen stellen und signalisieren, dass jeder in Würde leben sollte und am Ende des Monats auch noch genügend Finanzen hat, um gut leben zu können.


Quelle:
DR