Kardinal Marx für mehr Gewaltenteilung in der Kirche

"Kein Lehrbuch für einen absolutistischen Staat"

Der Münchner Kardinal Reinhard Marx plädiert für mehr Gewaltenteilung in der katholischen Kirche. Klerikaler Machtmissbrauch sei eine der Hauptursachen für den weltweiten Missbrauchsskandal, sagte Marx.

Reinhard Kardinal Marx / © Harald Oppitz (KNA)
Reinhard Kardinal Marx / © Harald Oppitz ( KNA )

Die Antwort der Geschichte auf solche Zustände sei die Kontrolle und Teilung von Macht. Dies sei mit Theologie und Kirchenrecht durchaus vereinbar. "Der Kodex ist ja nicht ein Lehrbuch für einen absolutistischen Staat",  sagte er am Donnerstag bei seinem traditionellen Besuch des Münchner Presseclubs.

Marx sagte, es gebe "schon länger Mitbestimmung in der Kirche. Die Leute haben aber das Gefühl: nicht wirklich". Dies müsse überwunden werden. Papst und Bischöfe könnten ihre Macht delegieren. So sei es "selbstverständlich möglich", dass auch ein Laie eine Kurienbehörde leite. Denkbar sei auch die Mitwirkung von Laien an eigenständigen kirchlichen Strafgerichtshöfen. "Da geht es nicht um die Weihe, sondern um Kompetenz."

Der Kardinal konkretisierte bei dem Pressegespräch auch das Vorhaben, die Funktion des Generalvikars und des Amtschefs seiner Diözesanverwaltung in München zum Jahresende 2019 voneinander zu trennen. Dieser Schritt sei ungewöhnlich, er wisse aber, dass auch andere Bischöfe in diese Richtung dächten. Priester seien schließlich von Haus aus keine Verwaltungsfachleute. Der Münchner Generalvikar Peter Beer habe ihm versichert, 80 Prozent seiner Tätigkeit könne auch ein Laie machen. Die neue Führungsposition werde zu Beginn des neuen Jahres öffentlich ausgeschrieben. Der Generalvikar werde zwar dessen Vorgesetzter bleiben, aber nicht Amtsleiter.

Marx erklärte, das Vorhaben sei "nicht ohne Risiko". Er sehe zu dieser Weiterentwicklung aber "keine wirkliche Alternative". Die Zusammenarbeit von Priestern und Laien sei "eine Zukunftsfrage der Kirche". Auch auf Ebene der Weltkirche beobachte er ein "wachsendes Bewusstsein für die Dringlichkeit von Reformen".

Marx: Ansehen der Bischöfe zuletzt rapide gesunken

Zudem beobachtet Reinhard Marx, dass in den vergangenen Monaten "das öffentliche Ansehen der Bischöfe rapide gesunken" sei. Er selbst könne sich da nicht ausschließen, sagte Marx am Donnerstag. Besonders im Streit um den Kommunionempfang für evangelische Ehepartner von Katholiken habe die Kirche "ein Schauspiel geboten", das innerkirchlich und in der Öffentlichkeit ein "Fiasko" gewesen sei.

Den Gegenstand des Streits bezeichnete der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz als "eine relativ kleine Geschichte". Evangelische Ehepartner sollten in bestimmten Fällen zu einer in ihrem Gewissen verantwortbaren Entscheidung ermutigt werden. Seit seiner erfolgten Intervention in Rom liege das weitere Vorgehen in der Hand jedes einzelnen Bischofs. "Gemacht wird es sowieso", zeigte sich Marx überzeugt.

Während der "heftigen Debatte" habe er aber auch gemerkt, wie sehr das Thema die Menschen weiter bewege, fügte Marx hinzu. Insofern gebe es in der Ökumene einen "positiven Druck, weiter nach vorne zu gehen". Die Zukunft des Christentums sei jedenfalls nicht mehr im Gegeneinander, sondern nur noch im Miteinander der Konfessionen vorstellbar.

Kardinal Marx: Papst offen für Diskussion um Sexualmoral

In seinem Jahresgespräch blickte er auch auf Franziskus. Er sagte, dass er offen sei in Bezug auf eine Diskussion um die katholische Sexualmoral. "Ich sehe, dass er da nicht so festgelegt ist". Er selbst habe mit ihm schon mehrfach über das Thema gesprochen. Sorgen machten ihm, Marx, eher "Kräfte, die meinen, wenn wir keine homosexuellen Priester mehr haben, wäre das ganze Missbrauchsproblem gelöst". Dagegen müsse er sich "verwahren", sagte der Kardinal.

Homosexuell veranlagte Priester seien in puncto Missbrauch "nicht gefährdeter als andere", fügte er hinzu. Die Frage sei, ob sie sexuell enthaltsam leben könnten, genauso wie heterosexuelle Männer. Hier werde er sich vor unterschiedlichen Urteilen hüten. Zugleich wandte sich Marx gegen die Abschaffung des Zölibats als Konsequenz aus der Missbrauchsstudie der Deutschen Bischofskonferenz. Er könne nur warnen vor der Annahme, damit wären die Probleme gelöst. "Das gibt die Untersuchung nicht her." Es müsse aber über die Lebensform und Ausbildung der Priester gesprochen und geklärt werden, ob diese "nicht zu Verschrobenheiten führt".

Marx kündigte an, er müsse die Deutsche Bischofskonferenz im Januar "für Reformschritte gewinnen, die tiefer gehen". Wie das im Grundsatz bereits Beschlossene konkretisiert werde, dazu erwarte er "heftige Kontroversen".

Kardinal Marx: Pell hat keinerlei Einfluss mehr in Rom

Der australische Kardinal George Pell hat nach Auskunft des Münchner Kardinals Reinhard Marx "keinerlei Einfluss mehr in Rom". Er kenne Pell gut, habe ihn aber jetzt seit fast zwei Jahren nicht mehr gesehen. Der Australier war am 12. Dezember mit zwei weiteren Kardinälen aus dem engsten Beraterkreis von Papst Franziskus, dem auch Marx angehört, entlassen worden. Formell behielt der 77-Jährige aber seinen Posten als Leiter des vatikanischen Wirtschaftssekretariats.

Marx sagte dazu, Pell sei seit dem Sommer 2017 beurlaubt und in seinen Aufgaben in Rom seither "praktisch nicht mehr tätig". Der Australier verteidigt sich in seiner Heimat vor Gericht gegen den Vorwurf, in den 1990er Jahren gegen männliche Jugendliche in Melbourne sexuell übergriffig geworden zu sein. Die australische Justiz verhängte über das gesamte Verfahren ein striktes Berichtsverbot. Zu dem Prozess selbst könne er nichts sagen, erklärte der Münchner Kardinal. Der Papst habe seine Entscheidung aber schon vor jüngsten Meldungen über den Prozessverlauf gefällt.


Quelle:
KNA