Im Keller des Todesblocks von Auschwitz ist das Grauen bis heute spürbar. Niedrige Betonverliese, in die durch vergitterte Löcher kaum ein Lichtstrahl fällt. Wen die Nazis hier einpferchten, der sollte verhungern. Oder ersticken. Am 14. August 1941 starb hier der polnische Franziskanerpater Maximilian Kolbe.
Gelebte Nächstenliebe
Die wenigen direkten Zeugen von Kolbes Tod berichteten nach der Befreiung von Auschwitz, sie hätten die Ermordung des jungen Paters als erschütternden Einschnitt erlebt. "Etwas hat sich verändert. Das Gebot der Nächstenliebe hat seine Bedeutung wiedererlangt. Das Leben, das durch den freiwilligen Tod erkauft wird, hat seinen Wert zurückgewonnen", erinnerte sich Michal Micherdzinski, der als einer der letzten Zeitzeugen Kolbes im Jahr 2006 starb.
Kolbe ging freiwillig in den Tod. Er bot sich dem SS-Führer Karl Fritzsch als Austausch für einen jungen Familienvater an, als die Nazis zur Vergeltung für die Flucht eines Häftlings im August 1941 zehn Männer zum Hungertod in die Todeszelle sperrten. "Ich möchte für einen der Häftlinge in den Tod gehen. Ich bin katholischer Priester und habe keine Familie", soll er dem KZ-Befehlshaber gesagt haben. Dieser akzeptierte den Austausch. Weil Kolbe die Qualen im Hungerbunker tagelang überlebte, wurde er schließlich durch eine Giftinjektion ermordet.
Der Weg zum Priester
Geboren wurde Kolbe vor genau 125 Jahren, am 7. Januar 1894 in der Nähe von Lodz. Er wuchs in einer frommen katholischen Familie auf. Die Eltern schicken Rajmund - Maximilian war erst sein späterer Ordensname - gemeinsam mit einem Bruder in ein Franziskanerinternat im heute ukrainischen Lwiw (Lemberg). Die Franziskaner entsandten den begabten Schüler dann für ein Philosophie- und Theologiestudium nach Rom, das er mit doppelter Promotion abschloss. 1918 wurde Kolbe Priester.
Er kehrte nach dem Ersten Weltkrieg in seine Heimat zurück, wo er westlich von Warschau das katholische Zentrum Niepokalanow mit Verlag, Druckerei, Werkstätten, Rundfunkstation, Klostergebäude und einem Seminar für Gymnasiasten gründete. Die "Klosterstadt" wurde zu einem schnell wachsenden Vorzeigeprojekt des Ordens. Kolbe gründete mehrere katholische Zeitschriften, die seine Arbeit bekanntmachten. Er selbst schrieb vor allem über die ihn selbst prägende Verehrung der Gottesmutter Maria.
Verehrung Kolbes als Märtyrer
Ende 1938 war Niepokalanow mit mehr als 660 Franziskanern eine der großen Klostergemeinschaften Europas. Doch die kurze Blüte endete jäh mit dem deutschen Überfall auf Polen im September 1939. Die deutschen Soldaten vertrieben alle Ordensbrüder und machten den Klosterkomplex zum Gefangenenlager. Kolbe kam nach einer ersten Inhaftierung wieder frei. Doch schon 1941 wurde er erneut verhaftet und nach Auschwitz in den Tod deportiert.
Die Nachricht seiner Ermordung verbreitete sich wie ein Lauffeuer unter den polnischen Katholiken. Und bereits nach Kriegsende begann die Verehrung Kolbes als Märtyrer. In einem gemeinsamen Brief baten 1963 die polnischen und deutschen Bischöfe um die Seligsprechung, die 30 Jahre nach seinem Tod erfolgte.
Zugleich wurde er Namensgeber des 1973 gegründeten Maximilian-Kolbe-Werks mit Sitz in Freiburg, das die Überlebenden der Konzentrationslager und Ghettos in Polen und Osteuropa unterstützt. 1982 sprach Papst Johannes Paul II. seinen Landsmann als "Märtyrer der Versöhnung" heilig.
Gedenkfeste zum Jahrestag
Zum 125. Jahrestag wird das Kolbe-Werk nun für mehr als 100 KZ- und Ghettoüberlebende in der Ukraine, Weißrussland und Polen Kur- und Erholungswochen organisieren. Inklusive Kolbe-Gedenkfesten am 7. Januar. Und neben den humanitären Hilfen will die Organisation auch die Erinnerung an die NS-Verbrechen in die Zukunft tragen: Dazu sind Anfang Februar junge Lehrer aus ganz Deutschland zu einem Fortbildungsseminar ins "Zentrum für Dialog und Gebet" nach Oswiecim eingeladen. Nur wenige Gehminuten von der Todeszelle Kolbes entfernt.
Volker Hasenauer