Pariser Priester zu Vorwürfen gegen Barbarin

Der Erzbischof wird nicht geschont

In Frankreich steht der Lyoner Erzbischof Kardinal Barbarin vor Gericht. Er soll sexuellen Missbrauch vertuscht haben. Der Pariser Pfarrer Markus Hirlinger beobachtet in der Öffentlichkeit eine "starke Bewegung gegen Barbarin". 

Justitia steht für Gerechtigkeit  / © Daniel Reinhardt (dpa)
Justitia steht für Gerechtigkeit / © Daniel Reinhardt ( dpa )

DOMRADIO.DE: In Deutschland schlägt der Gerichtsprozess gegen den Erzbischof von Lyon und andere Kirchenvertreter hohe Wellen. Wie ist das in Frankreich?

Markus Hirlinger (Pfarrer in der deutschsprachigen Gemeinde St. Albertus Magnus in Paris): Das geht uns hier nicht anders. Die Schwere des Themas ist in allen Medien zu spüren. Große Sendungen und Zeitungen schauen darauf. Und in einem Monat soll ein Film erscheinen, der das Thema noch einmal einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich macht. Titel des Films ist "Grâce à Dieu" (Gott sei Dank). Das ist wohl ein Zitat des Kardinals, das er schon im Jahr 2016 verwendet hat, zum Abschluss eines Prozesses. Er sagte, Gott sei Dank seien die meisten Fakten, die dem Priester vorgeworfen werden, verjährt. Das wird in dem Film aufgegriffen.

DOMRADIO.DE: Im Prozess wird dem Kardinal von Lyon Vertuschung vorgeworfen. Die Verteidigung wiederum spricht von einem Schauprozess. Wie wird das in den Medien kommentiert?

Hirlinger: Man sieht jetzt schon, wenige Tage nach Prozessbeginn, dass die Medien mehr auf der Seite der Ankläger stehen. In Interviews wird Barbarin nicht geschont, wird angegriffen, er habe seine Verantwortung nicht wahrgenommen. Das System in der Kirche wird hinterfragt, das System des Stillschweigens, der Vertuschung. Da gibt es eine wirklich starke Bewegung gegen Barbarin.

DOMRADIO.DE: Was sagt der Kardinal selbst zu den Vorwürfen?

Hirlinger: Zunächst hat er sich in der Tat bei den Opfern entschuldigt und hat eingeräumt, dass er zu unvorsichtig, zu leichtsinnig gehandelt hat, als er dem Priester Bernard Preynat in den Jahren 2011 bis 2015 noch einmal die Jugendseelsorge anvertraut hat. Barbarin hat erkannt, dass das nicht in Ordnung war. Auch, wenn die entsprechenden Vorwürfe gegen Preynat aus den 70er und 80er Jahren stammen. Aber er spricht auch von Verjährung.

DOMRADIO.DE: Nun ist das Thema sexueller Missbrauch hier in Deutschland ein ganz großes. Hier verspricht die katholische Kirche schonungslose Aufklärung, auch mit unabhängigen Experten und Institutionen. Wie reagiert die katholische Kirche in Frankreich?

Hirlinger: Die Bischöfe haben sich im Herbst in Lourdes getroffen - mit dem Schwerpunktthema Missbrauch. Dazu hatten sie auch Opfer eingeladen, so dass die Bischöfe in der Tat noch einmal auf andere Weise vom Thema berührt wurden und auch ihren Horizont erweitern konnten. Die Bischöfe haben auch ein Schreiben an alle Gläubigen und Priester verfasst, in dem sie die Krise benannt haben. Sie schreiben darin von einer tiefen Demut und Scham, die sie empfinden und, dass die ganze Kirche bereit sei muss, gegen den Missbrauch zu kämpfen.

Es geht einerseits um Prävention. Darauf wird etwa in der Ausbildung geachtet. Ich höre von Priester-Kollegen, dass Missbrauch schon im Priesterseminar zu einem klaren und deutlichen Thema wird. Gleichzeitig bestätigen die Bischöfe das, was der Papst zum Thema sagt: Dass man jedem Verdacht in den Diözesen nachgehen muss und den betroffenen Priester schon während des Verdachts in seinem Wirkungsfeld einschränkt, bis dann der Verdacht möglicherweise entkräftet oder auch bestätigt ist. 

Das Interview führte Martin Mölder.


Kardinal Philippe Barbarin / © Jean-Matthieu Gautier (KNA)
Kardinal Philippe Barbarin / © Jean-Matthieu Gautier ( KNA )
Quelle:
DR
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