Am Geld liege es nicht, sagt die Caritas Köln und hat gemeinsam mit der Diakonie Michaelshoven einen Forderungskatalog verfasst - die "Kölner Erklärung".
DOMRADIO.DE: Warum ist denn die Lage so dramatisch beziehungsweise warum werden die Pflegeplätze weniger?
Peter Krücker (Vorstand Caritasverband für die Stadt Köln): Der Pflegenotstand hat ganz unterschiedliche Ursachen. Eine Ursache bezogen auf die stationären Pflegeplätze ist, dass das Land Nordrhein-Westfalen in den letzten Jahren eine deutliche Verbesserung der Standards in den stationären Altenzentren eingeführt hat: Die Träger wurden dazu gezwungen - haben es allerdings auch freiwillig gemacht - Plätze in Doppelzimmern abzubauen oder mehr Quadratmeter vor allem in den Bädern zur Verfügung zu stellen. Dadurch hat sich alleine baulich ein merklicher Rückgang von Plätzen ergeben. Es mussten auch Häuser geschlossen werden, die grundsätzlich nicht zu ertüchtigen waren.
Auf der anderen Seite haben wir aber auch im stationären Bereich einen deutlich steigenden Bedarf: Wir haben mehr Menschen, die eine stationäre Versorgung in der Pflege brauchen, weil sie schwer pflegebedürftig sind, weil sie sehr alt, sehr hochbetagt sind und weil Familien immer weniger in der Lage sind, die Pflege ihrer Eltern oder alten Angehörigen selber zu leisten.
DOMRADIO.DE: Wenn wir über die stationäre Pflege reden, ist es ja eigentlich eine gute Entwicklung, dass die Leute nicht in veralteten Mehrbettzimmer leben müssen. Was ist denn dann die Lösung? Wir können die Menschen ja jetzt nicht alle in Sechsbettzimmer stecken.
Krücker: Die Lösung ist natürlich nicht das Sechsbettzimmer. Die Lösung ist, dass wir mehr Pflegeeinrichtungen brauchen. Dafür müssen vernünftige Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit Grundstücke zur Verfügung gestellt werden und Träger Einrichtungen bauen können. Denn derzeitig sind die Rahmenbedingungen des Landes Nordrhein-Westfalen so, dass es wirtschaftlicher Selbstmord für einen Träger wäre, eine Einrichtung neu zu bauen.
DOMRADIO.DE: Und da kommen Sie ins Spiel und haben gemeinsam mit der Diakonie Michaelshoven die "Kölner Erklärung" verfasst. Das sind mehrere Punkte, die konkrete Ideen bringen, wie man aus dieser Situation herauskommt. Was sind die wichtigsten Punkte?
Krücker: Der Ausbau der Ausbildung in der Pflege ist wichtig, also mehr Fachkräfte zu gewinnen. Da ist die Situation inzwischen sehr, sehr kritisch. Entsprechend müssen die Schulen, die Pflegekräfte ausbilden, stark unterstützt werden.
Wir müssen Beschäftigungsmaßnahmen ausweiten; müssen im Kreis von Arbeitslosen, Umschülern und so weiter konzentriert schauen: Welche Menschen wollen in die Pflege gehen? Und wir müssen alle, die in die Pflege möchten, auch in die Pflege holen.
Außerdem müssen wir wieder Fachkräfte aus dem Ausland anwerben. Das haben wir vor Jahren hier in Deutschland auch schon mal getan. Das muss wieder energisch verfolgt werden.
Zudem brauchen wir in der ambulanten Versorgung, also in der Versorgung zu Hause, neue Modelle. Unsere Pflegekräfte sind 20 bis 30 Prozent ihrer Arbeitszeit im Auto unterwegs, suchen Parkplätze und stehen im Stau. Das macht überhaupt keinen Sinn. Das sind gut ausgebildete Kräfte. Die müssen ihre Arbeitszeit am Patienten verbringen. Hier brauchen wir neue Modelle, neue Organisationsformen, wie wir die Arbeitskräfte mehr an den Menschen bekommen.
DOMRADIO.DE: Die Arbeitskräfte und die Finanzen sind ein ganz wichtiger Punkt. Es mangelt ja nicht am Willen, es mangelt ja oftmals am Geld.
Krücker: Wobei wir in der Pflege gerade nicht die Situation haben, dass es an Geld mangelt. Jetzt zum Jahresbeginn sind die Sätze der Pflegeversicherung erhöht worden. Wir haben im Moment mehr Geld im System als wir ausgeben können, weil wir zum Beispiel Stellen nicht besetzen können. Es ist nicht die Frage des Geldes, sondern die Frage, dass alle Ebenen - Kommune, Land und Bund - in einer konzertierten Aktion schauen: Was müssen wir tun, um die Rahmenbedingungen der Pflege zu verbessern und um Fachkräfte zu gewinnen?
DOMRADIO.DE: Sie machen das Ganze als Caritasverband Köln gemeinsam mit der Diakonie Michaelshoven. Sie sagen aber auch bewusst: Wir öffnen diese Kölner Erklärung, damit andere Träger, andere Verbände und Organisationen sich beteiligen können. Was möchten Sie im besten Fall damit erreichen?
Krücker: Was wir im besten Fall erreichen wollen ist, dass andere Träger sich dieser Erklärung anschließen. Wir wollen gerne, dass in Köln überlegt wird - und zwar über die Stadtgrenzen hinaus: Was muss getan werden? Auch Bund, Länder und Kommunen müssen sich zusammensetzen und müssen gemeinsam nachdenken, wer was tut.
Jeder guckt immer nur für sich. Und jeder stellt dann vielleicht auch schon mal Geld bereit. Aber es gibt keine Abstimmung der entsprechenden Aktivitäten und kein Gesamtkonzept, wie wir die Situation der Pflege verbessern können. Und das fordern wir - auch spezifisch für Köln.
Das Interview führte Renardo Schlegelmilch