Caritas sieht in Hartz-IV-Sanktionen Kontrast zu Grundgesetz

"Fataler Domino-Effekt"

Der Deutsche Caritasverband hält die Sanktionen bei Hartz-IV für grundgesetzwidrig. "Es gibt einen verfassungsrechtlichen Anspruch auf die Zusicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums", betonte Caritas-Präsident Peter Neher.

Demonstranten vor dem Bundesverfassungsgericht / © Sebastian Gollnow (dpa)
Demonstranten vor dem Bundesverfassungsgericht / © Sebastian Gollnow ( dpa )

Neher äußerte sich in Berlin unmittelbar vor der am Dienstag anstehenden Verhandlung des Bundesverfassungsgerichts zu den umstrittenen Kürzungen für Arbeitslosengeld-II-Empfänger, die bestimmte Pflichten nicht erfüllen.

Caritas-Präsident Peter Neher / © Markus Nowak (KNA)
Caritas-Präsident Peter Neher / © Markus Nowak ( KNA )

Eine Reform der Sanktionsregelungen ist aus Sicht des katholischen Wohlfahrtsverbandes überfällig. Besonders hart träfen die Sanktionen Jugendliche unter 25 Jahren, so Neher. Für sie gelten härtere Strafen als für Ältere. 

"Das führt dazu, dass viele Jugendliche den Kontakt zum Jobcenter abbrechen, häufig vollständig aus dem Sicherungssystem herausfallen und keine Hilfsangebote mehr wahrnehmen. Ein fataler Domino-Effekt für das Leben der Jugendlichen", sagte der Präsident.

Keine grundsätzliche Ablehnung von Sanktionen

Neher verwies auf die Erfahrungen der Caritas-Beratungsstellen. Wenn bei einer Vollsanktion jegliche Leistung entfalle, werde häufig genau das Gegenteil dessen bewirkt, was mit der Sanktion erreicht werden soll: die Eingliederung in Arbeit und damit die Überwindung der Hilfebedürftigkeit.

Die Caritas lehne Sanktionen nicht grundsätzlich ab, der Gesetzgeber sei aber bei der Ausgestaltung dessen, was eingefordert werden darf, zu weit gegangen, so die Caritas. 

"Besonders kritisch ist die vorübergehende Streichung der Leistungen für die Kosten der Unterkunft (KdU). Im schlimmsten Fall kann dies dazu führen, dass die Betroffenen auf der Straße stehen und wohnungslos werden", unterstreicht Neher.

Forderung nach flexibleren Entscheidungsmöglichkeiten

Sachbearbeiter in den Jobcentern brauchten dringend flexiblere Möglichkeiten der Entscheidung. Die Minderung der Unterkunftskosten müsse ebenso ausgeschlossen werden wie die verschärften Sanktionen für junge Menschen. 

Entscheidend, um den Teufelskreis von Erwerbslosigkeit und Leistungsbezug zu durchbrechen, sei eine intensive, individualisierte Beratung.

Hartz IV in Deutschland

Mindestens 14,5 Millionen Menschen in Deutschland haben seit der Einführung von Hartz IV im Jahr 2005 zumindest einmal Hartz-Leistungen bezogen. Das geht aus einer Antwort des Bundessozialministeriums auf eine Anfrage der Linken hervor, die der Deutschen Presse-Agentur in Berlin vorliegt. Rund 10 Millionen dieser Bezieher von Regelleistungen nach dem zweiten Sozialgesetzbuch zählten als erwerbsfähig. 4,4 Millionen waren Kinder unter 15 Jahren.

Symbolbild Hartz IV / © Fotogeng (shutterstock)
Quelle:
KNA