In zahlreichen deutschen Bistümern müssen sich die Katholiken derzeit auf Veränderungen einstellen. Althergebrachte Strukturen des kirchlichen Lebens stehen auf dem Prüfstand. Zwei Beispiele aus dem noch jungen Jahr 2019: Bei seinem Neujahrsempfang stimmte der Freiburger Erzbischof Burger die Gläubigen auf tiefgreifende Strukturveränderungen ein. Es sei eine große Herausforderung, auf die "klar und unmissverständlich prognostizierte weiterhin abnehmende Zahl an Kirchenmitgliedern, an Gläubigen, an Priestern und hauptberuflich pastoral Mitarbeitenden" zu reagieren, sagte Burger.
Pfarreien neu denken
Wenig später rief der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf dazu auf, ganz grundsätzlich "Pfarrei neu zu denken". Die klassische, an einen festen Ort gebundene, territoriale Pfarrei entspreche in einer mobiler werdenden Welt immer weniger den Lebenswelten vieler Menschen, sagte Kohlgraf. Es sei niemandem gedient, "ein altes Ideal von Pfarrei aufrechtzuerhalten". Dass Bistümer die Zahl ihrer Pfarreien reduzieren, zum Teil auch deutlich, ist nichts Ungewöhnliches. Aber nirgendwo war der Zeitplan so ambitioniert gewählt wie in Deutschlands ältestem Bistum Trier.
Bislang ist das kirchliche Leben dort in 887 kleinen Pfarreien organisiert, die bereits jetzt schon zu 172 Pfarreiengemeinschaften zusammengefasst sind. 2018 legte sich Bischof Stephan Ackermann fest: Bereits ab 2020 soll es nur noch 35 "Pfarreien der Zukunft" geben. Die Legitimation dafür leitete Ackermann aus der von 2013 bis 2016 im Bistum Trier tagenden Diözesansynode her. Die Versammlung von Laien und Geistlichen arbeitete zahlreiche Vorschläge zur Neuausrichtung des kirchlichen Lebens aus.
Reform in zwei Schritten
Doch vielen Gläubigen sind das Trierer Tempo und die Reformintensität nicht geheuer. Die "Initiative Kirchengemeinde vor Ort", ein Bündnis von Kritikern, mobilisierte Widerstand und wird nach eigenen Angaben bereits von rund 290 Kirchengemeinden unterstützt. Im Oktober demonstrierten vor dem Trierer Dom rund 1.500 Menschen mit Plakaten wie "Keine Großpfarreien" oder "Lasst die Kirche im Dorf". Mitte Januar nun kam Ackermann den Kritikern einen Schritt entgegen. Vor Journalisten sagte er, die Verantwortlichen in der Bistumsleitung hätten sich gefragt: "Wann überfordern wir die Menschen vor Ort, aber auch die Verwaltung?"
Zwar halte er weiterhin an der Schaffung von 35 Großpfarreien fest, jedoch werde die Reform zeitlich entzerrt in zwei Schritten umgesetzt. Zum 1. Januar 2020 sollen in einer ersten Stufe zunächst nur 13 "Pfarreien der Zukunft" errichtet werden; die weiteren 22 Großpfarreien sollen bis spätestens Januar 2022 folgen. Der Bischof machte jedoch deutlich: "Das ist keine Rolle rückwärts, das ist eine Konkretisierung." Er glaube aber, "dass es für manche eine Entlastung sein wird; einige werden aufatmen". Jede "Pfarrei der Zukunft" solle künftig von einem Team aus Haupt- und Ehrenamtlichen mit einem Pfarrer an der Spitze geleitet werden.
Kritiker bereiten Klagen vor
Doch trotz der zeitlichen Entschärfung bleibt die Kritiker-Initiative auf Konfrontationskurs. "Es ist schlimmer als gedacht", sagt ihr Sprecher Harald Cronauer zum geplanten Festhalten an den 35 Großpfarreien. "Insgesamt wird deutlich, dass wir hier einen Rückschritt haben, denn die Machtkonzentration auf den Bischof wird noch intensiver", so der ehrenamtlich in seiner dörflichen Kirchengemeinde tätige Jurist, dessen jetzige Pfarrei nach den Plänen des Bistums ab 2020 zur Großpfarrei Saarbrücken mit 98.900 Katholiken gehören soll.
An der Spitze der Großpfarreien werde "eine teure, kopflastige Mammut-Verwaltung geschaffen, die die Zentralisierung weiter fördern wird". Die Initiative stört sich vor allem an den Plänen, dass die Vermögen der aufzulösenden Altpfarreien künftig durch die Großpfarrei verwaltet werden sollen. Welcher Einfluss in den Dörfern bestehen bleibe, das sei derzeit noch "äußerst schwammiges Wischi-Waschi". Daher bereiten die Kritiker nun Klagen gegen die Pfarreienreform vor.