Ansturm auf Kölner Flüchtlingsunterkünfte kein "Urlaubs-Trip"

"Kein Grund, in Panik zu geraten"

Erlebt Köln einen "Urlauber"-Ansturm auf die Notunterkünfte? Rund 2.700 Flüchtlinge vor allem aus den Balkanstaaten werden derzeit in Heimen untergebracht. Der Kölner Flüchtlingsrat widerspricht dieser "Holiday"-These vehement.

Flüchtlinge warten in der Kälte / © Amel Emric (dpa)
Flüchtlinge warten in der Kälte / © Amel Emric ( dpa )

DOMRADIO.DE: Der Kölner "Express" zitiert eine Mitarbeiterin der Flüchtlingshilfe: "Die Leute freuen sich, dass sie, im Gegensatz zu ihrer Heimat, über die Wintermonate ein warmes sauberes Heim, gute Verpflegung und medizinische Versorgung haben. Für sie ist das quasi wie ein traumhafter Urlaub." Ist das denn wirklich so?

Claus Ulrich Prölß (Geschäftsführer des Flüchtlingsrats Köln e.V.): Wohl kaum. Der Begriff Urlaub passt da wohl eher nicht. Wenn man sich mit den Leuten näher beschäftigt, wenn man deren Geschichten hört, wenn man weiß, welche Schicksale sich hinter diesen Gesichtern verbergen, dann muss man zu einem ganz anderen Ergebnis kommen. Man muss erst einmal wissen, um wen es sich eigentlich handelt: Es sind ja zum größten Teil Familien mit Kindern, Minderheitenangehörige, insbesondere Roma aus Albanien, Mazedonien oder Serbien, die zum Teil schon jahrelang, mitunter auch jahrzehntelang, unterwegs sind auf der Suche nach einem Leben in Sicherheit und Würde.

DOMRADIO.DE: Geht das überhaupt so einfach, dass Menschen tatsächlich hier "überwintern", wie es im Artikel hieß und dann wieder nach Hause zurückreisen, ohne einen Asylantrag zu stellen?

Prölß: Was wir festgestellt haben, ist ein bisschen differenzierter. Es gibt sehr wohl Menschen unter dieser Personengruppe, die einen Asylantrag stellen. Es gibt aber den größeren Teil der Leute, der diesen Weg nicht geht, weil das Asylverfahren für sie ungeeignet ist. Denn es handelt sich um sogenannte sichere Herkunftsländer. Mit der Folge, dass hier ein kurzer Asylprozess stattfindet und die Leute überhaupt keine Gelegenheit haben, im Rahmen dieses verkürzten Asylverfahrens ihre Gründe zu benennen. Oder diese Gründe sind tatsächlich nicht asylrelevant. Deshalb, weil sie unterhalb einer bestimmten Schwelle sind, weil es Leute sind, die oftmals diskriminiert wurden oder aufgrund ihrer Volkszugehörigkeit stigmatisiert wurden. Das ist im deutschen Asylrecht nicht relevant.

DOMRADIO.DE: Welche Möglichkeit bleibt diesen Menschen?

Prölß: Es gibt die Möglichkeit, Gründe zu nennen, die unterhalb der Schwelle des Asylantrags liegen: sogenannte Duldungsgründe. Das können Dinge sein wie Erkrankungen, die vorgetragen werden, und wir wissen dass viele dieser 2.700 unter den verschiedensten Erkrankungen leiden - insbesondere auch die Kinder. Erkrankung kann also ein Grund sein. Es können auch familiäre Beziehungen Gründe darstellen, die für ein mögliches Aufenthaltsrecht geprüft werden müssen. Auch die Passlosigkeit kann hier einen Grund darstellen.

DOMRADIO.DE: In diesem Winter sind es 2.700 Flüchtlinge aus den Balkanstaaten, heißt es. Das sind angeblich 1.000 mehr als im vergangenen Jahr. Wie kommt das?

Prölß: Es zeigt vielleicht ein bisschen, dass man Migration tatsächlich nicht steuern kann. Migration ist so alt, wie die Menschheit. Es gibt Bewegungen, die kann man nicht voraussagen. Wir hatten in den letzten Monaten ein Rückgang der Zahlen, sowohl der Asylsuchendenzahl, als auch der Zahl der sogenannten unerlaubt eingereisten Personen. Das ist die Gruppe, über die wir heute sprechen. Daher kann man nicht prophezeien, wie sich die Zahlen entwickeln werden. Jetzt muss man sagen: Es war schon immer so, dass im Herbst und Winter die Zahl der unerlaubt eingereisten Personen gestiegen ist - danach sinkt sie wieder. Jetzt sind es 1.000 mehr. Das ist mehr. Das ist auch viel mehr. Aber es ist kein Grund, in Panik zu geraten, sondern man muss jetzt bedenken: Was sind das für Leute? Was haben sie für Gründe? Dazu gibt es ganz normale, ausländerrechtliche Verfahren. Die werden durchgeführt, um zu prüfen, ob diese Menschen hierbleiben können - zumindest vorübergehend - oder ob sie zurückkehren müssen.

DOMRADIO.DE: Köln ist verpflichtet, die Menschen aufzunehmen, damit sie nicht zu Obdachlosen werden. Aber in Köln gibt es auch Obdachlose. Jetzt könnte man meinen, die Menschen aus dem Balkan nehmen diesen Menschen den Platz weg. Zumindest gibt es immer wieder Menschen, die genau das hinterfragen. Wie ist da der Zusammenhang?

Prölß: Es gibt keinen Zusammenhang. Zunächst handelt es sich um ein ordnungsrechtliches Problem. Es gibt das Ordnungsbehördengesetz. Das gilt eben nicht nur für Ausländer, sondern das gilt auch für Deutsche - da wird gar nicht unterschieden. Aber einen großen Unterschied gibt es: Die Flüchtlinge, über die wir jetzt sprechen, werden in Flüchtlingswohnheimen bzw. in Hallen untergebracht. Also in Unterkünften, in denen kein deutscher Obdachloser untergebracht wird. Dafür gibt es andere Obdachlosenunterkünfte. Daher kann überhaupt nicht die Rede davon sein, dass die einen den anderen den Platz wegnehmen.

Das Interview führte Dagmar Peters.


Quelle:
DR