Die Evangelische Kirche im Rheinland hat sich nach den Durchsuchungen in vier Gemeinden im Hunsrück erschüttert gezeigt. "Diese Eskalation haben wir noch nicht gehabt", sagte der Migrationsexperte Rafael Nikodemus dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Freitag in Düsseldorf. Auch deutschlandweit handle es sich bei den Durchsuchungen um einen einzigartigen Vorgang.
Gemeindebüros und private Arbeitszimmer von fünf Pfarrern waren am Donnerstagmorgen durchsucht worden. Hintergrund sind mittlerweile beendete Kirchenasyle, die Auslöser für ein Ermittlungsverfahren gegen fünf Pfarrer aus dem Rhein-Hunsrück-Kreis waren.
Kirche kündigt Konsequenzen an
Die rheinische Kirche werde Beschwerde wegen der Unverhältnismäßigkeit der Maßnahme einlegen, kündigte der Kirchenrat an. Die Durchsuchungen hätten die Kirche überrascht, da das Ziel des Kirchenasyls schon erreicht worden sei: Die Aufnahme eines Asylverfahrens in Deutschland statt der Abschiebung nach Italien.
Nikodemus bezeichnete es als unverständlich, "dass so eine starke Aktion in Gang gesetzt worden ist". Allerdings beobachte die rheinische Kirche seit einiger Zeit eine Verschärfung der Atmosphäre im Kirchenasyl, sagte Nikodemus. Sowohl das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge als auch die Länder verstärkten die Restriktionen. "Wir spüren einen enormen Druck der Ausländerbehörden", sagte der Migrationsexperte. Diese Verschärfungen zeige sich auch auf der juristischen Ebene: Es würden mehr Strafanzeigen gegen Pfarrer gestellt, die oft aber ausgeräumt werden könnten.
Verschwiegenheitspflicht ist ein hohes Gut
Der Hunsrücker Fall wecke nun Furcht bei Gemeinden. Im Zusammenhang mit den anderen Verschärfungen beobachte er, dass die Zahlen von Kirchenasyl leicht zurückgehen. Mit Blick auf die beschlagnahmten Dateien betonte der Pfarrer: "Verschwiegenheitspflicht und Schutz der Seelsorge sind für uns ein sehr hohes Gut." Die rheinische Kirche sehe dieses hohe Gut bedroht, "auch wenn die Staatsanwaltschaft sensibel mit den Daten umgehen will". Nach Nikodemus' Auffassung ist schon im Sichten der Daten in Anwesenheit der betroffenen Pfarrer ein wichtiger Punkt überschritten: "Das bedeutet, dass man die Datei sieht", sagte er.
Das hohe kirchliche Gut der Verschwiegenheit in der Seelsorge müsse geschützt werden. Die Landeskirche prüfe, auch gegen die Verwertung der Daten vorzugehen.
Waren Durchsuchungen nötig?
Die Staatsanwaltschaft wirft den Beschuldigten vor, in den laufenden Ermittlungsverfahren nicht ausreichend kooperiert zu haben und rechtfertigt damit die Hausdurchsuchungen.
Anlass für die Ermittlungen waren Strafanzeigen des örtlichen Landrats, Marlon Bröhr (CDU), wegen Beihilfe zum illegalen Aufenthalt. Die Gemeinden hatten insgesamt neun sudanesische Flüchtlinge ins Kirchenasyl aufgenommen.