Die Bilder des vergangenen Februars sind längst verblasst. Seinerzeit gingen die Menschen in der Slowakei zu Tausenden auf die Straße und forderten den Rücktritt des damaligen Ministerpräsidenten Robert Fico. Anlass war der Mord an dem regierungskritischen Journalisten Jan Kuciak und seiner Verlobten Martina Kusnirova.
Noch Wochen danach existierten überall im Land provisorische Gedenkstätten, an denen die Slowaken an den 27-jährigen Kuciak und seine gleichaltrige Partnerin erinnerten. Der Journalist war in seiner letzten, unvollendet gebliebenen Reportage möglichen Verbindungen zwischen der Mafia und Regierungsmitarbeitern nachgegangen.
Polizist als Täter?
Am Donnerstag jährt sich der Mord zum ersten Mal. Für Reporter ohne Grenzen Anlass, eine Zwischenbilanz der Ermittlungen zu ziehen. Es seien eindeutige Fortschritte zu verzeichnen, heißt es, "doch gibt es immer wieder Anzeichen politischer Einflussnahme". Im vergangenen September verhaftete die Polizei vier Tatverdächtige, darunter einen ehemaligen Polizisten, der die Tat ausgeführt haben soll und Alena Z. Ihr werden direkte Verbindungen zu dem slowakischen Geschäftsmann Marian Kocner nachgesagt, der in dem Fall eine Schlüsselrolle zu spielen scheint.
Der ebenfalls inhaftierte Kocner hatte Kuciak Ende 2017 telefonisch bedroht und gilt als dringend tatverdächtig, einer der Auftraggeber des Mordes zu sein. "Selbst aus dem Gefängnis heraus soll er noch ein großes Netzwerk an einflussreichen Unterstützern haben", fasst Reporter ohne Grenzen zusammen.
Verdächtiges Verhalten der Regierung
Stutzen lässt die Beobachter in diesem Zusammenhang eine Anfang Februar auf höchster Ebene getroffene Entscheidung, einen Teil der Ermittlungen abzuspalten und sie der Polizeiaufsichtsbehörde und damit direkt dem Innenministerium zu unterstellen.
Dabei geht es um einen Erzrivalen von Kocner: Daniel Lipsic, ehemals Justiz- und Innenminister der mittlerweile oppositionellen Christlich-Demokratischen Bewegung KDH. Lipsic vertritt heute als Anwalt die Familie des ermordeten Kuciak - und sollte von den Tatverdächtigen mutmaßlich ebenfalls aus dem Weg geräumt werden.
Die Abtrennung der Ermittlungen könne darauf hindeuten, dass einige Vertreter in der Politik vor allem darauf aus seien, "sich selbst und ihren Ruf zu schützen", kommentiert Reporter ohne Grenzen-Geschäftsführer Christian Mihr. Trotz solcher und anderer Bedenken hofft die Organisation auf einen erfolgreichen Fortgang der Untersuchungen unter Chefermittler Peter Juhas.
Pressefreiheit immer weiter beschnitten
Dessen ungeachtet rutschte der EU-Staat Slowakei in der jüngsten Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen um zehn Plätze auf Rang 27 nach hinten. Der Abwärtstrend könnte sich fortsetzen: Die regierende Partei Smer brachte laut Angaben der Organisation einen Gesetzentwurf ein, nach dem Medien mit hohen Strafzahlungen belegt werden können, wenn sie Politikern, die sich von Berichterstattung in ihrem Ruf oder ihrer Privatsphäre verletzt sehen, keine Möglichkeit für Erwiderungen einräumen.
Peter Bardy, Chefredakteur von Kuciaks Nachrichtenseite Aktuality.sk, erkennt darin vor allem ein Motiv: das Bestreben, "unabhängige Medien zu knebeln und zu bestrafen".