DOMRADIO.DE: Warum gehört die Kippa nicht zu Ihrer Karnevalstracht, wo sie diese doch im Namen tragen?
Aaron Knappstein (Präsident des jüdischen Karnevalsvereins "Kölsche Kippa Köpp"): Wir wollen uns ja nicht als Juden verkleiden. Wir wollen das nicht als Verkleidung nutzen und damit durch die Stadt laufen. Es ist trotzdem immer noch für uns, oder für die meisten, ein religiöses Symbol und man trägt es halt in der Synagoge, oder orthodoxe Juden oder sehr religiöse Juden dann vielleicht auch auf der Straße.
DOMRADIO.DE: "Falafel & Kölsch" – so hieß die erste öffentliche Veranstaltung Ihres Karnevalsvereins. Falafel und Kölsch - passen die zusammen?
Knappstein: Ja, sehr gut passen die zusammen. Es war eine ganz wunderbare Veranstaltung am Sonntag. Das kann ich auch behaupten nach den ganzen Reaktionen, die wir bekommen haben und ich denke, das hat gezeigt, wie vielfältig der Kölner Karneval sein kann.
DOMRADIO.DE: Sie haben gesagt, Sie wollten sich vor allen Dingen mal vorstellen bei der Veranstaltung und sie wollten natürlich ins Gespräch kommen mit den anderen Jecken, mit den Karnevalisten. Ihr persönliches Fazit - ist das gelungen?
Knappstein: Ja, das ist wirklich sehr, sehr gut gelungen. Man hat gesehen, dass sich das sehr gut gemischt hat, dass Leute ganz viel Neues erfahren haben, dass viel gefragt wurde, dass wir viel mitteilen konnten. Das war eine ganz, ganz wunderbare Sache, das hat man den Leuten nachher auch in den Augen angesehen, das war sehr schön zu sehen.
DOMRADIO.DE: Das Ganze war ja schon vorgestern. Wie haben die Kölschen Kippa Köpp denn gestern den Rosenmontag verbracht?
Knappstein: Die meisten getrennt voneinander, wir sind ja fast alle auch in anderen Vereinen aktiv und das auch schon seit Jahren oder Jahrzehnten. Etliche Kippa Köpp sind in ihren Vereinen mitgegangen, bei den Roten Funken, bei den Blauen Funken. Ich selber habe auf meinem Balkon gestanden, der direkt am Zugweg ist. Da hatten wir ein großes Banner hängen von den Kippa Köpp und es war total schön zu sehen, dass doch etliche Leute darauf reagiert haben, gewunken haben und sogar ein Ständchen gebracht wurde. Etliche riefen uns Shalom zu und das war wirklich sehr schön zu sehen.
DOMRADIO.DE: Gegründet hatten sich die Kippa Köpp eigentlich schon früher, nämlich 2017. An die Öffentlichkeit sind sie dann aber erst in diesem Jahr gegangen. Warum diese Verzögerung?
Knappstein: Wir haben uns im November 2017 gegründet, das ist richtig, also haben ungefähr Eineinvierteljahr gewartet. Das war schon überlegt, weil wir wollten auf jeden Fall sehen, ob das auch zwischen uns funktioniert. Es gab auch da einige Leute, die sich vorher überhaupt nicht kannten. Mir war es ganz wichtig, dass wir nicht an die Öffentlichkeit gehen, gesehen werden oder die Präsenz haben und dann irgendwie vier Wochen später sagen müssen, uns gibt's nicht mehr. Das war uns besonders wichtig.
DOMRADIO.DE: Was für Reaktionen haben Sie dann geerntet?
Knappstein: Die Presserückmeldungen waren riesig und auch sehr sehr positiv und gehen bis heute. Das war ganz wunderbar. Wir haben gesehen, dass in vielen Ländern dieser Welt auch Artikel platziert wurden: in Argentinien, in Brasilien, in Israel, in den USA, wir waren in der Londoner Times, die New York Times hat über uns berichtet. Das war schon enorm und hat uns immer wieder ein Lächeln aufs Gesicht gezaubert.
DOMRADIO.DE: Über 70 Jahre hat es in Köln keinen jüdischen Karnevalsverein gegeben. Warum hat das so lange gedauert?
Knappstein: Sie müssen sich vorstellen: Auch vor dem Krieg haben ja relativ wenige Jüdinnen und Juden organisiert im Karneval teilgenommen. Viele haben sicherlich gefeiert, aber es ist immer eine kleine Prozentzahl. Das heißt, nach dem Krieg hatten die ganz wenigen Kölner Juden und Jüdinnen, die dann noch in Köln waren, die Tradition des Karnevals gar nicht. Denn die allermeisten Menschen jüdischen Glaubens, die in dieser Stadt lebten, kamen ursprünglich gar nicht aus Köln nach 1945, sondern aus Ländern wie Tschechien, Ungarn, Russland, Polen. Das heißt, das musste sich erst wieder entwickeln.
Und man muss sich natürlich auch ganz klar vorstellen, dass die meisten andere Probleme hatten nach 1945, als einen Karnevalsverein zu gründen. Und eventuell war es für den ein oder anderen auch ein bisschen schwierig, direkt wieder Ende der vierziger, fünfziger Jahre mit nichtjüdischen Menschen in einem Karnevalsverein zu feiern, weil man gar nicht wusste, ob man wirklich hier bleibt. Also die Koffer, die sogenannten, wurden erst in den 80ern wieder ausgepackt, wo man sich klarer war, auch hier bleiben zu wollen.
DOMRADIO.DE: Wir haben in den letzten Jahren erlebt, dass in Europa und leider auch hier in Deutschland Antisemitismus wieder zunimmt. Wollen Sie mit dieser Präsenz im Karneval auch ein Stück weit diesem alten, neuen Antisemitismus entgegentreten?
Knappstein: Ehrlich gesagt: gar nicht so bewusst. Das war kein Grund, den Verein zu gründen und es war auch kein Grund, an die Presse zu gehen. Aber wenn es gegen Antisemitismus hilft zu zeigen, dass Jüdinnen und Juden seit dem Krieg wieder im Karneval aktiv sind, dabei sind, mittendrin in den Vereinen sind, dann freuen wir uns natürlich sehr. Gerade jetzt an diesem Wochenende gab es in Belgien einen hoch-antisemitischen Wagen. Wenn man sich den anguckt, der hätte sehr gut in die 30er Jahren in Deutschland gepasst. Wenn man sowas sieht, dann sind wir echt total erschreckt und wollen uns natürlich auch dazu äußern und wollen einfach zeigen: Nein, es ist positiv. Jüdinnen und Juden sind im Karneval mit dabei und gehören mittendrin dazu.
DOMRADIO.DE: In Düsseldorf ist die jüdische Gemeinde seit vergangenem Jahr auch beim Rosenmontagszug ganz aktiv dabei. Letztes Jahr mit einem eigenen Wagen und koscheren Kamellen, in diesem Jahr mit einem interreligiösen Wagen. Ist Düsseldorf da ausnahmsweise mal ein Modell?
Knappstein: Es ist anders. Das kann man ich nicht so richtig vergleichen. Über diesen Wagen habe ich mich im letzten Jahr sehr gefreut und in diesem Jahr auch wieder. Aber soweit ich das weiß - ich werde da gerne korrigiert - ist das keine Bewegung von unten gewesen, wo sich eine Gruppe Karnevalisten zusammengetan hat, um so einen Wagen zu initiieren. Sondern es war eine Organisation der Vorstände, der Kirchen und der Muslime und der Juden. Ich weiß nicht, ob da eine Gruppe von Menschen dahinter steht, die das trägt. Hier ist es genau andersherum. Wir sind eine Gruppe von Karnevalisten, die zusammengekommen ist. Und wenn wir dann mal im Rosenmontagszug hier in Köln enden, dann freuen wir uns da drauf und das ist sicherlich eines unserer Ziele. Aber es ist genau der andere Weg.
Das Interview führte Hilde Regeniter.