DOMRADIO.DE: Es gibt jetzt das erste Kochbuch eines Bestatters. Es heißt "Nimm Zimt! Tröstende Rezepte in Zeiten der Trauer". Trauern und Essen gehören in gewisser Weise zusammen, oder Herr Roth?
David Roth (Bestatter, Trauerbegleiter und Kochbuch-Autor): In jedem Fall, weil Essen eigentlich ja auch eine Frage von Gemeinschaft und Geselligkeit ist. Da ist es ist ganz wichtig, dass man sich bei einem guten Essen gut austauschen kann.
DOMRADIO.DE: Wir kennen alle diesen Leichenschmaus, wie man ihn nennt: Nach der Beerdigung isst man zusammen, man trinkt vielleicht auch noch einen Schnaps. Hat man das immer schon gemacht?
Roth: Also, ganz viel. Früher sagte man ja auch hier bei uns in der Region "das Fell versaufen", und das war wie ein kleines spontanes Fest. Jeder war eingeladen, jeder kam hinzu. Es ging darum, gut versorgt zu sein. Früher war es auch gute Sitte, dass man eine Familie, die in Not war oder Probleme hatte, als Gemeinschaft versorgte, dass man auf sie zuging und vielleicht auch etwas mitbrachte.
DOMRADIO.DE: Und nicht nur das Essen spielt im Zusammenhang mit der Trauer eine große Rolle, sondern auch das gemeinsame Kochen. Das Kochen mit Trauernden hat in Ihrem Unternehmen auch schon längere Tradition. Erzählen Sie mal.
Roth: Wir denken, dass unsere Arbeit auch über die Beerdigung hinausgeht und dass es darum geht, dass man wieder zu Lebensfreude, Sinn und Gemeinschaft findet. Und so bieten wir seit Jahren bei uns Seminare an, wo Menschen zusammenkommen, die meistens ihren Partner verloren haben, die vielleicht nicht mehr für sich alleine kochen, weil sie sagen: "Ach, dieser Aufwand, diese Mühe, was soll das alles?"
Wir animieren sie dazu, wieder zusammenzukommen, vielleicht ihre Lieblingsrezepte mitzubringen und sich dann als Gruppe auszutauschen, gemeinsam auf den Markt zu gehen, vorzubereiten, gemeinsam zu kochen, aber auch immer zu überlegen: Wie kann ich die anderen unterhalten, eine Geschichte erzählen, was singen vielleicht oder sich etwas zu überlegen. Und dann einfach eine schöne, gute Zeit, gut versorgt, miteinander verbringen.
DOMRADIO.DE: Die Mitautorin dieses Buches ist Ingrid Niemeier. Auch sie hat ihren Mann verloren, war in einer Phase der Trauer. Wie war das bei ihr mit dem Thema Kochen?
Roth: Sie hatte mit dem Thema Kochen eine ganz große Verbindung. Ihr Mann hat gerne gekocht. Die beiden haben sehr viel Wert auf ein italienisches Flair gelegt, auf Märkte zu gehen, sich das alles anzuschauen, die Aromen zu spüren und dann gemeinsam vorzubereiten. Als ihr Mann auf einmal weg war, da war es natürlich auch eine Frage von Festhalten. Sie hat exzessiv und toll gekocht. Aber es fehlte ihr natürlich irgendwo die Gesellschaft. Die Freunde kamen natürlich auch immer gerne, aber irgendwann wurde das zu viel. Es wurde richtig ausufernd und wir kamen darüber ins Gespräch - auch über diese Seminare. Wie sie erfuhr, dass wir das schon sehr lange machen, dass wir das für eine gute Art des Umgangs halten und dass es dabei auch über das Kochen hinaus um Geselligkeit, Lebensfreude und all das ging, kamen wir dort in einen wunderbaren Austausch.
So besteht dieses Buch eigentlich auch aus diesen wundervollen Rezepten, die sie sich überlegt hat, die man sich vielleicht sonst im Alltag nicht zutraut. Aber auch eine gewisse Reflektion, was wir in der Zeit brauchen, wie Gemeinschaft, Trost, Erinnerung. Dass wir nicht vor der Erinnerung weggehen, die wir von einem anderen haben, dass wir nicht die Angst vor dem Schmerzhaften haben, sondern uns gerade an das Schöne erinnern, was uns miteinander verbindet.
DOMRADIO.DE: Ein Kapitel in diesem Buch heißt "Tomaten trösten". Gibt es tatsächlich Zutaten, die uns guttun in der Phase der Trauer?
Roth: Also, ich denke eigentlich alles, was schmeckt, generell. Und dass man sich vielleicht auch mal an Sachen heranwagt, die man so vorher nicht gesehen hat. Ich vergleiche das so ein bisschen mit Kindern, die natürlich ganz vieles, was sie nicht kennen, erst mal meiden, bis sie es dann probiert haben und es mögen. Und wenn ich dann mal vielleicht etwas anderes probiere, mich an etwas heranwage, experimentiere, dann kann ich vielleicht ganz neue Facetten erleben.
Das Interview führte Verena Tröster.