Zwei Spielzeiten lang trat Gerhard Ulrich am Ernst Deutsch Theater in seiner Heimatstadt Hamburg auf. Zuvor hatte er Germanistik, Theaterwissenschaften und Schauspielkunst studiert. Doch dann berührte ihn das Wort Gottes so sehr, dass er ein Theologiestudium begann und vom Theater zur Kirche wechselte. Aus seiner Sicht keine Gegensätze: "Auf beiden Bühnen geht es um Leben und Tod", sagt Ulrich heute.
Seit sechs Jahren steht er in Schwerin als Landesbischof an der Spitze der Nordkirche. Von 2011 bis 2018 war er zudem Leitender Bischof der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD). Am 9. März, seinem 68. Geburtstag, wird er mit einem Gottesdienst verabschiedet. Am 1. April tritt er seinen Ruhestand an.
"Gar nicht so einfach"
Seine Nachfolge übernimmt die bisherige Regionalbischöfin der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland, Kristina Kühnbaum-Schmidt (55). "Ich merke, dass das Loslassen gar nicht so einfach ist", sagt Ulrich. Dennoch wirkt der Mann mit dem freundlichen Lächeln und der Halbrandbrille zufrieden. Ulrich war zehn Jahre lang Pfarrer in Hamburg und Schleswig-Holstein.
1991 wurde er Direktor des Prediger- und Studienseminars der Nordelbischen Kirche in Preetz, fünf Jahre später Propst des Kirchenkreises Angeln mit Sitz in Kappeln. 2008 wählte ihn die Landessynode zum Bischof des Sprengels Schleswig und Holstein. 2013 wurde er schließlich erster Landesbischof der frisch gegründeten Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland.
Fusion gelungen
Dass die Kirchen von Mecklenburg, Pommern und Nordelbien 2012 zur Nordkirche fusionierten, ist im Wesentlichen Ulrichs Verdienst. Er moderierte den viele Jahre dauernden Prozess, in dem sich erstmals Landeskirchen aus Ost und West zusammenschlossen, und sorgte in den vergangenen sechs Jahren für das Aufkommen eines Zusammengehörigkeitsgefühls unter den rund zwei Millionen Mitgliedern. Er sei stolz, dass die Fusion der Nordkirche gelungen sei, ohne die unterschiedlichen Kulturen platt oder gleich zu machen, sagt er im Rückblick.
Als einschneidendes Erlebnis seiner Amtszeit bezeichnete er das Bekanntwerden der Missbrauchsfälle. "Damit haben wir gemerkt, dass wir als System versagt haben." Die Nordkirche verabschiedete in diesem Jahr auch auf Ulrichs Betreiben ein Präventionsgesetz. Es gilt als Vorbild für die übrigen Landeskirchen der EKD.
Ökumenische Zukunft
Neben der Einheit der eigenen Kirche lag dem Landesbischof auch das Zusammenwachsen der christlichen Konfessionen am Herzen. Er sei überzeugt, "dass wir als Kirche nur dann eine Zukunft haben, wenn wir uns ökumenisch verstehen". Besuche bei Papst Benedikt XVI. und dessen Nachfolger Franziskus zählt der Protestant zu "den intensivsten Begegnungen" seiner Amtszeit. Eine neue gemeinsame Erklärung von Katholiken und Lutheranern zu den Themen Amt, Eucharistie und Kirchenverständnis sei verabredet. "Ich hoffe fest, dass wir in zehn Jahren ein gemeinsames Abendmahl feiern."
Ulrich scheute sich nie, politisch Stellung zu beziehen. Schon lange vor der großen Zuwanderungswelle rief er zur Unterstützung von Flüchtlingen auf. "Gott kennt keine Obergrenzen, wenn es um Schwache und Elende geht", mahnte er in seiner Weihnachtsbotschaft 2015. Den Pegida-Demonstranten warf er vor, sich zu Unrecht auf christliche Werte zu berufen. Immer wieder prangerte er Waffenexporte in Krisenländer an.
Seine beliebten Theaterpredigten
Im Ruhestand will sich der vierfache Vater und dreifache Opa mit seiner Frau Cornelia im gemeinsamen Haus in Kappeln niederlassen. Ganz zurückziehen wird er sich aber wohl nicht: Seine beliebten Theaterpredigten will der Kulturliebhaber auch in Zukunft fortsetzen.
Statt auf der Kanzel sprach er dabei mehrfach in Schauspielhäusern und setzte sich aus christlicher Sicht mit Bühnenwerken wie Shakespeares "Sommernachtstraum" oder Brechts "Leben des Galilei" auseinander. Dass am Ende aber doch die Kirche und nicht das Theater seine Hauptbühne war, bereue er nicht, betont Ulrich: "Ich wäre wohl auch kein guter Schauspieler geworden."