KNA: Herr John, was erwarten Sie von der Hauptstadtkonferenz Elektromobilität?
Mathias John (Vorstandsmitglied der Menschenrechtsorganisation Amnesty International): Ich hoffe, dass Menschenrechte auch zum Thema werden. Wir haben anhand eines Unternehmens, das unter zum Teil schlimmsten Bedingungen Kobalt-Erz aus der Demokratischen Republik Kongo herausholt, mal die ganze Lieferkette aufgedröselt. In Gesprächen auch mit großen deutschen Konzernen zeigte sich dann, dass es für sie überraschend war, dass Kobalt so ein Problem ist.
KNA: Was sind die Probleme bei der Gewinnung des Metalls?
John: Im Kongo wird Kobalt sehr häufig im handwerklichen Kleinbergbau abgebaut. Die Arbeitsbedingungen sind oft schwierig: Es gibt keinen Arbeitsschutz, keine Arbeitssicherheit, keine staatliche Aufsicht über diese kleinen Minen. Ein großes Problem ist auch die Kinderarbeit.
KNA: Wie viele Kinder schuften in den Minen?
John: Das sind Zehntausende, die zum Arbeiten gezwungen werden, weil sie zum Familieneinkommen beitragen müssen. Selbst Siebenjährige werden eingesetzt, auch für den Transport der schweren Erzbrocken und fürs Waschen der Erze. Das ist eine ganz klare Menschenrechtsverletzung. Bislang gibt es dazu nur eine Absichtserklärung der Regierung, bis 2025 etwas ändern zu wollen.
KNA: Wie wichtig ist der Kongo für das Thema Kobalt?
John: Schätzungen zufolge kommt 50 bis 60 Prozent des weltweit geförderten Kobalt-Erzes von dort. Ein erheblicher Anteil geht auf den handwerklichen Kleinbergbau zurück. Manche gehen davon aus, dass die Bedeutung noch zunehmen wird, selbst wenn die Forschung jetzt dahin geht, Akkus mit weniger Kobalt zu produzieren. Mittelfristig werden wir nicht ohne auskommen. Die Demokratische Republik Kongo könnte sogar fast zu einer Art Monopolstellung kommen.
KNA: Für das Land ist das doch eigentlich erst mal eine gute Nachricht, oder nicht?
John: Grundsätzlich natürlich, wenn die Gewinne auch tatsächlich im Lande blieben. Wie bei vielen Rohstoffen ist das allerdings nur bei einem Bruchteil der Fall. Das Erz wird zwar im Kongo gefördert, verlässt dann aber sofort das Land. Die Förderung ist nur der erste Schritt in der Wertschöpfungskette. Viele Kleinbergbauern bekommen wahrscheinlich nicht einmal Weltmarktpreise.
KNA: Für den einzelnen Kleinbergbauern dürfte es schwierig sein, mehr von der Wertschöpfungskette abzubekommen ...
John: Das sollte eigentlich Aufgabe des Staates sein, zumal das Bergbauministerium die Lizenzen vergibt. Selbst bei den großen industriellen Minen findet die Verarbeitung aber nicht vor Ort statt. Da sehen wir natürlich auch eine Verantwortung der Unternehmen in der Wertschöpfungskette - bis hin zu den Autoherstellern in Deutschland. Sie müssten etwas zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen im Kongo beitragen.
KNA: Sie haben bereits einige Berichte zum Thema Kobalt veröffentlicht. Zuletzt war von ersten Fortschritten die Rede ...
John: Es gibt solche Fortschritte, aber noch nicht allzu viele. Die Unternehmen haben angefangen, ihre menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten ernster zu nehmen und erste Maßnahmen zu ergreifen. Manche fangen an, kritische Punkte in der Lieferkette transparent zu machen. Allerdings haben sie noch nicht nachdrücklich genug begonnen, bei ihren Lieferanten darauf zu dringen, dass das Erz unter menschenrechtlich korrekten Bedingungen gewonnen wird.
KNA: Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) will Unternehmen dazu verpflichten, Menschenrechte in ihren Lieferketten zu achten, wenn sie es freiwillig nicht tun. Würde das etwas bringen?
John: Gesetzliche Regelungen fordern wir schon seit vielen Jahren. Es gibt für die menschenrechtliche Verantwortung von Unternehmen einfach eine große Regelungslücke. Deswegen können sie sich meistens auf die Freiwilligkeit berufen.
KNA: Was sollte in einem Gesetz aus Ihrer Sicht stehen?
John: Das Gesetz muss die menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten entlang der ganzen Wertschöpfungskette verbindlich für alle Unternehmen festschreiben, nicht nur für die großen. Die Unternehmen müssen Risiken und besonders kritische Stellen identifizieren und offenlegen, was sie für Verbesserungen tun. Im Zweifelsfall muss es auch Möglichkeiten geben, dass die Betroffenen klagen können und entschädigt werden. Unternehmen brauchen eine eigene Stelle, an die Betroffene sich wenden können. Klagen sollten zudem auch im Land des Hauptsitzes des Unternehmens möglich sein.
Von Alexander Riedel