Personalnot in Pflege gefährdet Versorgung in Intensivmedizin

Betten gesperrt

Bereits heute kommt es wegen des Personalmangels auf Intensivstationen häufig zu Bettensperrungen. Ein Drittel der dort arbeitenden Pflegekräfte plant, aus dem Beruf auszusteigen. Experten fordern Reformen.

Autor/in:
Christoph Arens
Eine Pflegekraft geht in einem Pflegeheim mit einer älteren Dame / © Christoph Schmidt (dpa)
Eine Pflegekraft geht in einem Pflegeheim mit einer älteren Dame / © Christoph Schmidt ( dpa )

Die Rede ist vom Personalnotstand in der Pflege. Auch der am Samstag zu Ende gegangene Deutsche Pflegetag hat nach Auswegen gesucht. Dass ein Mangel an Pflegekräften dramatische Auswirkungen hat, zeigt ein Überblick über die Situation auf den Intensivstationen deutscher Krankenhäuser, der in der jüngsten Ausgabe des Deutschen Ärzteblatts veröffentlicht wurde.

Schon heute sind in zahlreichen Krankenhäusern Intensivbetten gesperrt, weil es zu wenig Pflegekräfte gibt. Das gilt etwa in Spitzenzeiten wie der Grippewelle 2017/2018, aber auch im Normalbetrieb. Die Autoren vermuten, dass sich die Situation weiter zuspitzen wird. Mit gravierenden Konsequenzen: "In Zeiten einer älter werdenden Gesellschaft und immer komplexeren Krankheitsbildern kann die Bedeutung der Intensivpflege kaum überschätzt werden", heißt es.

Teufelskreis von Überlastung, Unzufriedenheit und Rückzug

Laut Studie waren in den befragten Krankenhäusern mindestens ein bis zwei Betten pro Intensivstation gesperrt. Dabei zeigten sich große Unterschiede bei der Personalausstattung: Während einige Intensivstationen mit dem von den medizinischen Fachgesellschaften geforderten Schlüssel von einer Pflegekraft für zwei Patienten arbeiten, gab es andere, in denen insbesondere nachts ein Pflegeschlüssel von eins zu vier Standard war.

Das hat Folgen für die Gesundheit der Patienten, führt aber auch zu einem Teufelskreis von Überlastung, Unzufriedenheit und Rückzug aus dem Beruf bei den Pflegekräften. Insgesamt 2.498 Intensivpflegekräfte wurden von der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (DGIIN) und dem Marburger Bund im Januar befragt. 96,8 Prozent berichteten über eine deutlich gestiegene Arbeitsbelastung, genauso viele bestätigen eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen.

Dramatischer Wandel in den Krankenhäusern

68 Prozent zeigten sich generell unzufrieden in ihrem Beruf. 37,3 Prozent gaben sogar an, den Beruf in den kommenden fünf Jahren verlassen zu wollen. 33,6 Prozent erklärten, sie wollten ihre Arbeitszeit in den kommenden zwei Jahren reduzieren.

Dazu kommt die Altersstruktur der Pflegekräfte: Die Studie, die von den Intensivmedizinern Christian Karagiannidis, Carsten Hermes, Michael Krakau, Karsten Löffert, Tobias Welte und Uwe Janssens vorgelegt wurde, verweist darauf, dass durch den anstehenden Renteneintritt der Babyboomergeneration ein dramatischer Wandel in den Krankenhäusern eintreten wird. So zeigen die Daten der Pflegekammer Niedersachsen, dass heute nur 5,9 Prozent der Pflegenden zwischen 19 bis 25 Jahren alt sind sowie 8,4 Prozent zwischen 26 und 30 Jahren. Zugleich sind 16,9 Prozent zwischen 51 und 55 und 14,3 Prozent zwischen 56 und 60 Jahren alt.

Problem "erlösorientiertes Abrechnungssystem"

Als Kernproblem identifizieren die Autoren das nahezu ausschließlich erlösorientierte Abrechnungssystem in Deutschland. Die Abrechnung nach Fallpauschalen habe zu einem "Wettrüsten" bei den Intensivkapazitäten geführt - auf Kosten von Qualität. Die Ausweitung der Kapazitäten habe zu einer enormen Zunahme der Arbeitsbelastung geführt. Auch ausufernde, zum Teil sinnlose Therapiemaßnahmen bei Patienten mit sehr schlechter Prognose tragen laut Studie wesentlich zu einer Desillusionierung von Fachpflegekräften bei.

Nach Einschätzung der Autoren folgt aus alledem ein klarer Auftrag an die Krankenhausträger und das Gesundheitssystem: Die Intensivpflege braucht mehr Personal, feste Betreuungsschlüssel und bessere Arbeitsbedingungen. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf müsse verbessert werden.

An die Politik appelliert die Studie, das Abrechnungssystem in den Krankenhäusern zu verändern. "Heute herrscht in den Krankenhäusern die Mentalität, die Therapie nach Quantität auszurichten, um dadurch eine höhere Vergütung zu erzielen." Ziel müsse aber mehr Qualität sein. In diesem Zusammenhang warnen die Autoren vor Gewinnmaximierung auf dem Rücken der Kranken. Es müsse unterbunden werden, "dass Aktiengesellschaften aus dem solidarfinanzierten Gesundheitssystem heraus Gewinne generieren dürfen". Zudem müsse die Politik der Bevölkerung vermitteln, dass es "angesichts der demografischen Entwicklung unmöglich ist, alle in der Vergangenheit etablierten Angebote im Gesundheitswesen auch in der Zukunft zu erhalten".


Quelle:
KNA