In Deutschland gelten 3,41 Millionen Menschen als pflegebedürftig. Rund drei Viertel von ihnen werden zu Hause versorgt - häufig von Angehörigen. Aber was tun, wenn Mutter, Vater oder andere Familienmitglieder etwa durch Krankheit, Sturz oder hohes Alter pflegebedürftig werden - die nächsten Verwandten jedoch hunderte Kilometer entfernt leben?
In einem solchen Fall sei es vor allem wichtig, dass sich pflegebedürftige Menschen und ihre Angehörigen schnell beraten lassen, sagt Simon Eggert, Bereichsleiter Analyse und Kommunikation im Zentrum für Qualität in der Pflege (ZQP). Kostenlose Pflegeberatungen bieten in Deutschland beispielsweise Pflegestützpunkte an. Bei der Beantragung eines Pflegegrades kann auch die zuständige Pflegekasse oder Pflegeversicherung unterstützen.
"Pflege kann überfordern"
Online-Angebote, etwa die Beratungsdatenbank des ZQP, helfen zudem, passende Angebote zu finden. Bei einer Beratung sollte auch die persönliche Belastungssituation des pflegenden Angehörigen zur Sprache kommen: Diese realistisch einzuschätzen sei wichtig, so der Experte. Denn Pflege kann sehr anstrengend sein und überfordern.
Tritt ein Pflegefall plötzlich ein, bedeutet das für weit entfernt lebende Angehörige meist eine große Herausforderung: "Ein erster Schritt ist, mit Verwandten, Nachbarn oder Freunden zu klären, wer zunächst welche Hilfeaufgaben übernehmen kann und will. Finden sich mehrere Unterstützer in räumlicher Nähe der pflegebedürftigen Person, können Aufgaben aufgeteilt werden", erklärt Eggert. Verwandte könnten dabei auch aus der Ferne helfen, etwa indem sie Informationen einholen oder Anträge stellen.
Anspruch auf Freistellung
Eine sofortige Reise zu einem pflegebedürftigen Verwandten kann vor allem dann nötig werden, wenn vor Ort keine ausreichende Unterstützung durch Familie oder Freunde möglich ist. "Hierfür haben Arbeitnehmer Anspruch, sich für bis zu zehn Tage zur Organisation einer Pflegesituation auch kurzfristig von der Arbeit freistellen zu lassen", sagt der Experte. Dazu kann eine Lohnersatzleistung, das sogenannte Pflegeunterstützungsgeld, bei der Pflegekasse des Pflegebedürftigen beantragt werden. Dieses wird an den pflegenden Angehörigen ausgezahlt.
Es ist zudem ratsam, das Thema Pflege nicht zu verdrängen, sondern frühzeitig gemeinsam mit Familie oder Freunden darüber zu sprechen. "Ein solcher Austausch kann nicht erzwungen werden und vollzieht sich vielleicht als vorsichtiger Gesprächsprozess leichter. Man kann auch versuchen, bereits erste Vereinbarungen darüber zu treffen, was in einer Pflegesituation gewünscht wird - aber auch, was Angehörige selbst für Grenzen ziehen möchten", so der Pflegeexperte der ZQP.
Frühzeitige Überlegungen
Ältere Menschen können zudem selbst frühzeitig etwas tun und überlegen, wie sie im Fall einer Pflegebedürftigkeit leben möchten. Eggert empfiehlt, sich beispielsweise über einen altersgerechten Umbau der eigenen vier Wände Gedanken zu machen oder einen Umzug in eine seniorengerechte Wohnung ins Auge zu fassen.
Dem Experten zufolge bietet es sich zudem an, wichtige Unterlagen zusammenzustellen und Angehörige oder Freunde darüber zu informieren, wo diese zu finden sind. Diese Unterlagen sollten unter anderem alle rechtlichen Dokumente wie etwa das Testament, eine aktuelle Patientenverfügung, eine Betreuungsverfügung oder Vorsorgevollmacht beinhalten.
Selbstbestimmung bewahren
Auch Christine Sowinski, Diplom-Psychologin und wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Kuratorium Deutsche Altershilfe, rät älteren Menschen dazu, für etwaige kurzfristige Krankenhausaufenthalte eine Tasche vorzubereiten, die unter anderem eine Auflistung aller aktuellen Medikamente und der Personen beinhaltet, die im Auftrag des Betroffenen handeln dürfen, wenn dieser dazu nicht mehr selbst in der Lage sein sollte.
"Dabei ist darauf zu achten, dass Angehörigen oder Freunden nicht zu früh Rechte eingeräumt werden. Die älteren Menschen sollten sich das Gut der Selbstbestimmung so lange wie möglich bewahren", so Sowinski.