Freude, Sehnsucht, Krise, Berufung, Segen – auf großen weißen Schildern im Altarraum stehen diese Überschriften. Sie alle haben mit dem Single-Leben zu tun. Jedenfalls wird in der Begrüßung von Anne Wixforth und Dr. Hedwig Lamberty, verantwortliche Referentin im Erzbistum für Single-Pastoral, deutlich, dass diese Lebensform, die meistens nicht freiwillig gewählt ist, Licht- und Schattenseiten hat. Alleine durchs Leben zu gehen muss nicht zwangsläufig mit einer resignativen oder depressiven Haltung einhergehen. Immerhin bietet Alleinsein auch Chancen, weiß die Theologin aus vielen Gesprächen mit Singles. Und trotzdem wünscht sich der überwiegende Teil dieser in der Gesellschaft stetig wachsenden Gruppe Alleinlebender, die alltäglichen Herausforderungen mit einem Partner an der Seite meistern zu können. Von daher kann Single-Dasein durchaus mit Freude besetzt sein, aber eben auch mit einer großen Sehnsucht nach Nähe, Zugehörigkeit und vor allem gesellschaftlicher Akzeptanz. Denn das Gefühl, als nicht ganz vollwertig – eher als defizitär – wahrgenommen zu werden, kann das eigene Selbstverständnis und Selbstwertgefühl auf eine harte Probe stellen und auch für Krisenzeiten sorgen, in denen Menschen, die solo sind, ihre komplette Lebenssituation hinterfragen und immer wieder neu nach ihrem Platz im Leben suchen.
"Solo, aber nicht ohne…!" bedeutet: nicht ohne Gott
Alleinlebende Menschen mit ihren ganz eigenen Themen – Hoffnungen, Wünschen, aber auch Sorgen und Nöten – verstärkt in den Blick zu nehmen, ist das Anliegen der Theologin Lamberty, die gemeinsam mit einem Vorbereitungsteam aus Vertretern des Erzbistums, des Stadtdekanates und der evangelischen Kirche in Köln zu einem ökumenischen Gottesdienst für Singles in die Innenstadtkirche St. Aposteln eingeladen hatte. "Diesen Menschen wurde bislang keine Aufmerksamkeit geschenkt, dabei werden es immer mehr", so die Beobachtung Lambertys. "Sie dürfen in unserer Kirche, in unseren Gemeinden kein Nischendasein führen. Denn die Gottesebenbildlichkeit gilt auch für sie – unabhängig davon, ob sie allein, zu zweit oder als Familie leben. Gott macht keinen Unterschied. Jedem schenkt er Würde und liebt ihn, wie er ist – in seiner Individualität." Mut zusprechen will sie diesen Menschen und unterstreicht daher noch einmal das Motto dieser liturgischen Andacht: "’Solo, aber nicht ohne…’ bedeutet für uns: Wer im Leben keinen Partner hat, muss dennoch seinen Weg nicht ohne Gott gehen. Er ist es, der niemanden alleine lässt, mit ihm das Leben teilt. Das ist unser Glaube, der uns für die je eigene Berufung Kraft gibt." Nicht zufällig sei für diesen Gottesdienst der Frühlingsanfang gewählt worden. Im Frühling breche neues Leben auf. Auch im Leben von Singles könne sich noch einmal etwas völlig Neues ereignen, "wenn wir nur unseren Blick darauf richten, wo in unserem Leben etwas sprießt und blüht".
Gottes Segen als Zeichen des Schutzes
Eine biblische Analogie finden Kristell Köhler, Referentin für Glaubenskommunikation, und Anne Quaas, evangelische Pfarrerin an der Kartäuserkirche, im Buch Josua: Gott überträgt dem Gefährten Moses die Mammutaufgabe, zwischen ihm und dem Volk Israel zu vermitteln, das Josua auf seinem Weg, das neue Land in Besitz zu nehmen, begleitet. Auch hier gehe es darum, erläutern beide Theologinnen, Furcht hinter sich zu lassen, Entscheidungen zu treffen sowie Einsamkeit und Grenzsituationen zu bestehen, in denen Menschen wachsen – manchmal sogar über sich hinaus. Unsicherheit und Angst dürften sein, aber nicht lähmen, dem Leben Raum nehmen, betont Quaas bei der Auslegung des Schriftwortes, um die Zuhörer mit dem Zuspruch zu ermutigen: "Gott ist überall da, wo wir unterwegs sind. Und sein Segen ist ein Zeichen dafür, dass er uns beschützt."
Kirchliche und gesellschaftliche Anerkennung
"Ein solcher Gottesdienst ist ein wichtiges Signal, dass wir Singles da sind", findet Dagmar R. aus Leverkusen, als sich die Gottesdienstteilnehmer im Anschluss noch bei einem Imbiss zu kleinen Tischgruppen im Pfarrsaal zusammenfinden. In der Kirche gehe es primär immer um die Familien, oft um die Kinder, Jugendlichen und bestenfalls noch die Senioren. "Dabei wollen auch wir Alleinlebende als ganz selbstverständlicher Teil von Gemeindeleben gesehen werden", sagt die 60-Jährige. Ein Single würde nicht zunächst als Mensch, sondern als Ehrenamtler betrachtet, dem aufgrund seiner Lebensform immer unterstellt werde, genügend Zeit für alle möglichen Dienste zu haben, schildert sie ihre Wahrnehmung und wünscht sich "viel mehr Wertschätzung von der Gemeinde".
"Dieser Gottesdienst greift ein sehr wichtiges Thema auf", stimmt ihr Anne B. zu. Wie ein Alien, ein außerirdisches Wesen, komme sie sich manchmal vor, wenn sie im kirchlichen Kontexte erzähle, dass sie Single sei. Sogar eine Selbsthilfe-Gruppe sei ihr schon empfohlen worden. Und nicht nur einmal sei sie mit dem Gefühl konfrontiert worden, eher exotisch, in keinem Fall aber gleichberechtigt zu sein. Dabei gäbe es in den Kirchengemeinden viele alleinstehende Frauen, stellt sie fest. Mittlerweile trage sie einen Tucum-Ring, der für sie ein Symbol der Liebeszusage Gottes sei. "Jetzt fühle ich mich sicherer", meint die 49-Jährige aus Köln, "und habe mittlerweile auch meinen Weg gefunden, mit dem Alleinsein umzugehen."
Die eigene Lebensform reflektieren
Die spirituellen Impulse, über alles Gute, aber auch das Schwere ihrer Lebensform nachzudenken, hätten ihr gut getan, Wertschätzung vermittelt, sie aber auch tief berührt, berichtet Martina A. und reflektiert im Gespräch mit anderen Singles offen das Thema "Berufung". Die 64-Jährige ist immer ledig geblieben, stellt sich aber bis heute die Frage, ob Gott nicht noch einen anderen Plan mit ihr hat. "Ich erlebe mein Single-Sein nicht als defizitär, kann mir aber vorstellen, auch noch einmal eine andere Entscheidung zu treffen – in jedem Fall aber will ich meinen Weg vom Glauben her finden." Für Richard T. ist es sehr schwierig, im Alter noch Freunde zu finden, wie er erzählt. Der 83-Jährige leidet unter dem Alleinsein und wünscht sich für gemeinsame Freizeitunternehmungen freundschaftliche Beziehungen, nennt als Bedingung dafür aber den gemeinsamen Glauben.
Single-Pastoral bietet Forum zur Vernetzung
Dass der Wunsch nach Gesellschaft oder einer Partnerschaft nicht unbedingt nur ein Thema für ältere Menschen ist, belegt Ehsan A. aus dem Iran. "Ich bin hier, weil ich einsam bin", gesteht der 25-Jährige, der vor zwei Jahren aus seiner Heimatstadt Karaj geflüchtet ist und sich heute ehrenamtlich in der Kölner Flüchtlingsarbeit engagiert, in fließendem Deutsch. Für die Wiederaufnahme seines Psychologiestudiums in Deutschland fehlt ihm ein gültiger Nachweis aus der Heimat – und damit auch eine Perspektive. Mitleid, so sagt er, begegne ihm als Geflüchtetem überall, aber für echte Freundschaften reiche das eben nicht aus. Zunehmend interessiert sich der junge Mann für die christliche Religion. Aber zunächst einmal sucht er Anschluss, um sich nicht überall immer nur "deplatziert" zu fühlen, wie er sagt. Die meditative Stimmung in der Kirche und auch der ganz persönliche Segen hätten ihm Kraft gegeben.
"Es ist gut, dass die Kirche die Belange von Singles aufgreift und ihnen auch ein Forum zur Vernetzung ermöglicht", sagt Myriam von B., die sich in eine Liste einträgt, um von weiteren Angeboten der Single-Pastoral zu profitieren. Die 47-Jährige sitzt nach einem Unfall im Rollstuhl, würde sich aber auch einen Partner und eine Familie wünschen, zumal sie das bei vielen Freunden in ihrem Alter derzeit erlebt – und damit auch, dass mit kleinen Kindern wenig Zeit für gemeinsame Unternehmungen mit ihr als Alleinlebenden bleibt. Natürlich wären Männer grundsätzlich eher auf eine gesunde junge Frau gepolt, die den Haushalt macht. Das seien nun mal für sie schwierige Kriterien, um jemanden kennenzulernen, spricht sie offen über ihre Situation und erklärt: "Ich bin hier aus Neugier: Ich wollte mal sehen, wer sich traut, hierher zu kommen, und sich als Single outet." Und Myriam von B. möchte erfahren, wie andere, denen ihr Glaube ebenfalls etwas bedeutet, mit ihrem Single-Leben umgehen. "Von daher", sagt sie, "ist es gut, dass es für einen solchen Austausch Orte gibt."
Beatrice Tomasetti